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TV-Kritik/Review: Broad City
(24.02.2014)
In der ersten Szene sitzt Abbi mit einem lila Latexdildo vor ihrem Computer, ein Post-It-Zettel mit Uhrzeitangabe (7 Uhr morgens) signalisiert: Der Tagesprogrammpunkt Masturbation muss jetzt abgearbeitet werden. Per Skype schaltet sich plötzlich ihre beste Freundin Ilana dazu: Die groovt im Hip-Hop-Modus, will Abbi dazu animieren, abends mit ihr ein Pop-Up-Konzert des Rappers Lil' Wayne zu besuchen. Dann rutscht der Laptop runter und zeigt den wahren Grund ihrer rhythmischen Moves: Ilana reitet gerade auf ihrem Lover Lincoln herum (von dem wir erfahren werden, dass er auch ihr Zahnarzt ist). Abbi entgeistert: "Is he inside of you?" Ilana: "I'm just keeping him warm."
Das Begeisternde an dieser Szene ist nicht der Gross-Out-Humor, der in anderer Leute Hände zum bloßen Mittel des Entsetzens prüder Zuschauer ausgeartet wäre. Es ist vielmehr die alltägliche Beiläufigkeit, mit der sich die absurde Situation entfaltet - und es ist die Chemie zwischen den Darstellerinnen, eine sofort spürbare Vertrautheit, die auch den unkundigen Betrachter auf Anhieb hineinzieht in diese neue Comedy Central-Serie.
Kundige Zuschauer wissen dagegen, dass Abbi Jacobson und Ilana Glazer nicht neu sind in diesen Rollen (die ihre tatsächlichen Vornamen tragen, dabei aber besser nicht mit ihnen selbst verwechselt werden sollten).
New Yorker Twentysomething-Mädels mit miesen Jobs und peinlichem Sex - natürlich muss da das übliche Vergleichswort zu
Vor allem die Plot-Ebene ist völlig anders angelegt: An übergreifenden Handlungsbögen scheint "Broad City" nicht interessiert zu sein, selbst Episodenhandlungen sind nur in Rudimenten zu finden - und genau das ist das große Glück dieser Show. Okay, in Episode 1 wollen die beiden 200 Dollar auftreiben, um den besagten Lil' Wayne-Gig (plus Drinks) besuchen zu können. Und, ja, in Episode 2 wollen sie vor allem high werden. Und, gut, in Episode 3 jagt Abbi der Postsendung ihres umschwärmten Nachbarn durch halb New York hinterher, während Ilana in einer Zeitarbeitsfirma für hündisches Chaos sorgt. Letztlich aber sind das Vorwände dafür, den beiden einfach beim Tun und Geschehenlassen mehr oder minder merkwürdiger Dinge zusehen zu können, und genau das ist umwerfend komisch. "Broad City", das lässt sich am besten mit "Tussenstadt" übersetzen: Abbi und Ilana benehmen sich, als wären die Frauen in
Schon die erste Episode wirkt so, als sei dies nicht die Pilotfolge einer neu ins Rennen um die Zuschauergunst startenden Comedyserie, sondern die hundertste eines eingespielten Teams - ein beachtliches Kunststück von Regie, Buch und Darstellerinnen: Abbi und Ilana sind einfach "da", sie stellen sich nicht vor, ihre offenbar langjährige und deshalb belastbare Freundschaft ist vom ersten Moment an glaubwürdig, wobei dies interessanterweise auf zwei Ebenen funktioniert: Auch Abbi Jacobson und Ilana Glazer (als Schöpferinnen ihrer Kunstfiguren) scheinen sich in den teils improvisierten Dialogen so blind zu verstehen, dass man reizvollerweise nie sicher sein kann, ob da zum Beispiel gerade "Abbi" über Ilana Glazer oder "Ilana" über Abbi Jacobson lacht.
Um Abbi und Ilana herum tauchen diverse Männerfiguren auf, die allesamt von New Yorker Comedians aus dem Guest-Star-Radius von Shows wie
Das Erfrischendste an "Broad City" ist die Freiheit in der (Single-Camera-)Form, die erfreulicherweise aus der Webserie herübergerettet wurde. Nicht jede Sequenz ist strikt auf die finale Pointe hin ausgerichtet, manchmal driften die Szenen einfach so dahin, wobei die Komik genau in diesem Driften besteht, das manchmal fast surreale Züge annimmt und in absurdem Theater mündet: Wenn sich Abbi berauscht über den Teppichboden eines mit Müttern und Kindern gefüllten Arztwartezimmers wälzt, rollt und schlängelt, halb beseelt, halb vor Scham zerfließend, ist das zum Beispiel denkbar weit von herkömmlichem Sitcom-Witz entfernt. Oder die dritte Episode: Die hat ein völlig anderes Opening als die Folgen davor, eine wunderschöne, dialoglose Doppelmontage der parallelen Lebensläufe von Abbi und Ilana. Das Versagen beim Postannehmen für den sexy Nachbar wird wie eine Bombenexplosion inszeniert, mit Tinnitus auf der Tonebene, die Reise zur entlegenen Postabholstelle als sinistre Gruselreise mit dem Wassertaxi. Und so wächst die Neugier: In "Broad City" kann inszenatorisch offenbar alles Mögliche passieren. Zumindest stets das, worauf die Macherinnen Lust haben. Auch in der Welt der US-Comedyserien ist das eine Seltenheit.
Natürlich erfindet "Broad City" die Comedy nicht neu, natürlich muss man die Low-Budget-Ästhetik mögen, aber an der Frische und Weirdness, die Glazers und Jacobsons Freestyle-Anekdotentum (das auch erfreulich oft ins Freie strebt, in New Yorker Parks und Nebenstraßen) auszeichnen, kann man schwer vorbeischauen. Könnte sich "Broad City" also zum Hit auswachsen? Glazer und Jacobson halten lieber den Ball flach und streuen selbstironische Verweise auf andere Sleeper-Hits des Serien-Universums in den Dialog:
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Broad City".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Comedy Central
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