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Wenn Leonardo da Vinci (Tom Riley) eine Idee hat, bleibt selbst die schönste Frau unberücksichtigt.
Wenn Leonardo da Vinci (Tom Riley) eine Idee hat, bleibt selbst die schönste Frau unberücksichtigt.


Der Herzog von Mailand pinkelt nackt in den Nachttopf. Kurz nachdem er seinen Toy Boy aus dem Schlafgemach gescheucht hat, wird ihm mitten in einer Kirche ein Schwert in den Leib gerammt. Wir schreiben 1476, und  "Da Vinci's Demons" macht schnell klar, was zu erwarten ist. Schnitt: eine junge Prostituierte mit Bändern im Haar auf einer Wiese vor Florenz. Barbrüstig wird sie porträtiert vom größten Künstler der Renaissance, Leonardo da Vinci. Wenig später steigt Papst Sixtus IV. mit baumelndem Gemächt aus seiner Privat-Therme. Eben noch quälte er einen nackten Jungen im SM-Spiel, dann betritt schon des Pontifex’ Neffe die Szene und schlitzt den bedauernswerten Buhlknaben auf - im Auftrag des Onkels. Am Ende der Pilotfolge wird dann ein Orgasmus mit einem explosiven Feuerwerk parallelmontiert.

Starz, der Pay-TV-Sender, der auch  "Spartacus" auf seiner Produktionsliste stehen hat, gibt dem Publikum, was es erwarten soll: nackte Tatsachen und Gewalt, dazu viel historische Mystery, eine Prise Blasphemie und lauter schöne Menschen. Wie aber passt das zu da Vinci, dem graubärtigen Universalgelehrten und "Mona Lisa"-Schöpfer? David S. Goyer, Creator der Serie, hatte wohl eher historische Fantasy als Faktentreue im Sinn. Der Mann, der als Mit-Autor der "Dark Knight"-Trilogie berühmt ist, zeigt uns da Vinci im Alter von Mitte Zwanzig und damit in einem Lebensabschnitt des Allroundkünstlers, über den in der Forschung kaum etwas bekannt ist. Da bleibt eben viel Raum für Spekulation, die die schweißnasse Muskeloptik von "Spartacus" mit den Intrigenspielen ? la  "Rom" oder  "Game of Thrones" und genialischen Tüfteleien zu kreuzen versucht.

Die Rahmendaten stimmen immerhin: Zum Zeitpunkt des Todes von Mailands Herzog Sforza war da Vinci tatsächlich erst 24 und der Florenzer Machtpolitik-Vordenker Niccol? Macchiavelli (der in der Serie als Leonardos Assistent und Teenie-Sidekick Nicco auftritt) kaum den Windeln entwachsen. Florenz, das war im späten 15. Jahrhundert unter dem Geld-Regime der Medici tatsächlich so etwas wie das Zentrum der Welt, jener Ort, an dem die Renaissance aus dem Dunkel des Mittelalters emporwuchs - im Wettstreit mit Mailand und natürlich Rom, dem Sitz des Papstes. Deshalb dräut Unheil nach dem Attentat auf Sforza, hinter dem der Vatikan zu stecken scheint.

Zunächst aber verwendet die Serie viel Zeit darauf, den jungen da Vinci vorzustellen. Den spielt Tom Riley (aus der Brit-Arztserie  "Dr. Monroe") wie einen  "Project Runway"-Juror mit Out-of-Bed-Frisur und Lederjacke - ein Jahrtausendkünstler als betont dauerironischer Freigeist, dessen Vertrauen in seinen alle anderen überragenden Genius durchaus arrogante Züge trägt. Ständig bastelt er an neuen (Flug-)Apparaturen herum, und alles, was ihm ins Sichtfeld gerät, wird prompt gezeichnet. Auf dem Markt der Stadt bezahlt einen Vogelhändler dafür, seine Tiere freizulassen, um ihre Flugbewegungen sofort im Skizzenbuch zu erfassen. In Szenen wie dieser wird der Vorgang des Skizzierens in Animationen übersetzt, die wild durchs Bild flattern und die Vorgehensweise da Vincis transparent machen - ein nett didaktischer Ansatz, der in etwa analog zu den bakteriellen Körperfahrten aus  "Dr. House" abläuft. Der animierte Vorspann verfährt ähnlich: Skizzen von da Vincis Apparaturen rauschen da durcheinander mit anatomischen Zeichnungen, und während Komponist Bear McCreary ( "The Walking Dead") Renaissancemotive in den pompösen Fantasy-Score mischt, fliegt eine Taube aus dunkler Höhle ins helle Licht des Humanismus.

Versuchung mit Geheimnis: Lucrezia Donati (Laura Haddock).
Versuchung mit Geheimnis: Lucrezia Donati (Laura Haddock).

Jenes Licht, das Leonardo der Welt bringen will, blitzt im damaligen Florenz indes noch eher zaghaft auf. Lorenzo Medici (Elliot Cowan,  "Sindbad") scheint ein umgänglicher, vernünftiger Mann zu sein, umgeben aber wird er von Reaktionären und Zweiflern. In der Pilotfolge schafft es da Vinci, sich dennoch auf Lorenzos Gehaltsliste setzen und damit in die Sphären der adligen Elite emporkatapultieren zu lassen - indem er dem von Rom bedrängten Medici verspricht, neuartige Waffen zu entwickeln. Ob es eine gute Idee Leonardos ist, auch noch mit Lorenzos Geliebter Lucrezia Donati (Laura Haddock aus dem  "The Inbetweeners"-Kinofilm) anzubandeln, bleibt abzuwarten; jedenfalls sorgt sie schon am Ende der ersten Folge für eine schön böse Überraschung mit dem Versprechen auf größtmögliche Fallhöhe. Daran beteiligt ist Riario, der erwähnte Papstneffe. Blake Ritson (Ken Folletts  "Tore der Welt") spielt ihn seiner fesch gelegten Hipsterfrisur zum Trotz leise-bedrohlich als grenzpsychopathischen Glaubensfanatiker, der mit Kopf-Ab-Befehlen nicht lange fackelt und erotisch bedruckte Kaffeemühlen als Folterinstrumente benutzt. Spätestens in Folge zwei schält er sich als Haupt-Antagonist Leonardos heraus.

Zum politischen Großkonflikt zwischen Florenz und Rom kommt noch eine Privatobsession, die etwas Mithras-Kult-Mystery in den Plot trägt: In einem schummrigen Keller trifft da Vinci den Türken Al-Rahim (Alexander Siddig, "Syriana") zum gepflegten Plausch an der berauschenden Wasserpfeife. Al-Rahim ermuntert Leonardo zur Suche nach dem "Buch der Blätter", das angeblich die Rätsel des Universums aufzuklären helfe. Das ist der Startschuss für eine Rätsel-Dramaturgie, die die folgenden Episoden bestimmt: Lieferte der gehängte Jude aus der Startfolge einen Hinweis auf das Buch? Es gibt verschlossene Kisten, es gibt einen (oder mehrere?) Schlüssel, und Schurke Riario weiß mehr, als er sagt.

Bleiben die Dämonen des Serientitels - und da wird’s psychologisch. Obwohl Leonardo, das Genie, der Prostituierten auf die Frage, was er denn fürchte, noch schelmisch antwortet, dass ihn einzig Unvollkommenheit ängstige, jagen ihn doch die Geister der Vergangenheit. Geboren als Bastard und Schäferjunge, wird der von seinem Vater brutal Zurückgewiesene regelmäßig von Alpträumen gepeinigt, die in seine Kindheit und zu einem traumatischen Erlebnis zurückführen, das - natürlich - mit seiner Mutter zu tun hat. Sie, die er früh verlor, ist das einzige Wesen in der Welt, das er zu zeichnen nicht in der Lage ist. Flashbacks zeigen: Hier wird in freudscher Enthüllungsdramaturgie sukzessive der finalen Aufdeckung entgegengearbeitet.

Schon in Folge drei, in der der Wahnsinn in einem Nonnenkloster ausbricht, birst der Plot aus allen Nähten: Hier läuft die Schnitzeljagd nach dem "Buch der Blätter", dort droht Florenz Krieg, es gibt einen Spion, die Fehde zwischen da Vinci und Riario und den psychischen Stress in Leos Kopf. Und: Ist der Türke echt oder bloß eine Opium-Vision?

Dazwischen gibt’s Erfindungsgimmicks, Gore und Leichenfledderei, zwei eher grob gepixelte Typen als Comic Relief (Eros Vlahos als Nicco und Gregg Chillin als bisexueller Lebemann Zoroaster), den bösen Papst (James Faulkner) und Lara Pulver ( "Spooks - Im Visier des MI5") als Lorenzos Gattin Clarice, mit der die Macher bislang wenig anzufangen wissen. Wer sich fragt, warum die Hauptfiguren splissfreie Haarspitzen, getrimmte Dreitagebärte und perlweiße Zähne durchs 15. Jahrhundert spazierenführen und warum ausgerechnet Leonardo, dem die Forschung wahlweise zölibatäre Enthaltsamkeit oder aber Homosexualität bescheinigt, als schwertschwingender Womanizer porträtiert wird, der sollte derartige Überlegungen besser aufgeben: Hier zählte eher die modische Anschließbarkeit an den Geschmack unserer Tage. Realismus ist eher Sache der CGI-Effekte, die das Florenz, Mailand und Rom der Renaissance, wo Pfaue und Eulen die Paläste durchflattern, pastellig, aber detailgenau und durchaus grandios nachstellen.

Was auch immer von dieser Art selektivem Realismus zu halten ist: "Da Vinci’s Demons" schaukelt seine History-Schnurre in den ersten Folgen durchaus gelungen über die Sex-und-Crime-Bühne. Das Schauspiel des britischen Ensembles (gedreht wurde in Wales) tendiert bisweilen ins Käsige, unterhaltsam ist es aber immer. Sofern die Macher die diversen Plot-Stränge nicht allzu früh versanden lassen und ausreichend Überraschungen in petto haben, kann hier nicht allzu viel schiefgehen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "Da Vinci's Demons".

Meine Wertung: 3.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Starz


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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