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TV-Kritik/Review: Looking

TV-Kritik zur Gay-Comedy von HBO - von Gian-Philip Andreas
(13.02.2014)

Looking for Love in San Francisco (v.l.n.r.): Agustín (Frankie J. Alvarez), Patrick (Jonathan Groff) und Dom (Murray Bartlett).
Looking for Love in San Francisco (v.l.n.r.): Agustín (Frankie J. Alvarez), Patrick (Jonathan Groff) und Dom (Murray Bartlett).


Gut, ich falle mal mit der Tür ins Haus und beantworte die Frage, die im Zusammenhang mit der neuen HBO-Serie  "Looking" praktisch immer zuerst gestellt wird: Ist das nun ein schwules  "Girls"? Das West-Coast-Gegenstück zum East-Coast-Hit? Leichte Antwort: Nein, das ist es nicht. Die Darstellerinnen der "Girls" entsprechen den dominierenden Schönheitskriterien eher weniger, wohingegen die Männer aus "Looking" ausnahmslos attraktiv sind. Der Humor der "Girls" ist zudem bisweilen schmerzhaft, heftig, peinigend, zum Fremdschämen ätzend. Der Humor von "Looking" dagegen ist all das nicht. Natürlich wird auch dort mit peinlichen Situationen gespielt (die Serie startet sogar mit einem verstolperten Cruising-Versuch im Park), doch weh tut es nie. Das allein zieht "Looking" noch nicht den Stecker, doch gibt es schon ein paar problematische Aspekte an dieser neuen Dramedy auf dem verwaisten  "Enlightened"-Sendeplatz.

Serienschöpfer Michael Lannan hat "Looking" auf Grundlage seines Kurzfilms "Lorimer" entwickelt und als Produzenten David Marshall Grant (schrieb an  "Nashville" mit) und den britischen Regisseur Andrew Haigh hinzugeholt: Letzteren kann man durch seinen sehr sehenswerten Two-Night-Stand-Film "Weekend" kennen, der auch in deutschen Kinos lief. Speziell Haighs Mitwirkung hob die Erwartungshaltung an dieses Projekt.

"Looking" konzentriert sich auf drei Freunde zwischen 30 und 40, allesamt Szenegänger aus der schwulen Community San Franciscos. Patrick, der Jüngste, ist Level Designer einer Videospielfirma und war noch nie länger als ein paar Monate liiert. Jonathan Groff (Jesse aus der ersten  "Glee"-Staffel) spielt ihn als klare Identifikationsfigur: etwas schusselig, auf der Suche nach Mr. Right, im sozialen Umgang awkward. Agustín (Frankie J. Alvarez) ist etwas älter. Er ist Assistent einer eitlen Künstlerin und obendrein annähernd verheiratet mit seinem Freund Frank (O.T. Fagbenle), mit dem er zu Beginn der Serie zusammenzieht. Der älteste ist Dom (mit Tom-Selleck-Schnauz: Murray Bartlett), seit Jahren Weinkellner in einem Restaurant und Mitbewohner einer sarkastischen Intellektuellen (Lauren Weedman), die bislang allerdings noch nicht viel mehr sein darf als, nun ja, eine sarkastische Intellektuelle.

Im Gegensatz zu "Girls" stehen in "Looking" nicht-weiße Charaktere (Agustín und Frank, Patricks S-Bahn-Flirt Richie) im Zentrum, dagegen spielt der ökonomische Hintergrund eine deutlich untergeordnetere Rolle. Sicher, die Darstellung einer nur vermeintlichen Prekarität ist auch an "Girls" kritisiert worden, doch die "Looking"-Jungs sind vom existenziellen Abgrund noch ein Stück weiter entfernt: Obwohl Patrick gern ein relevanterer Gamedesigner, Agustín ein namhafter Künstler wäre und Dom lieber ein eigenes Restaurant hätte - allem Anschein nach geht's ihnen ganz gut.

Agustín mit seinem Freund Frank (O.T. Fagbenle, l.).
Agustín mit seinem Freund Frank (O.T. Fagbenle, l.).

Beobachtet man aber nun die diversen romantischen Verwicklungen, die in den ersten Folgen nachvollzogen werden, fällt etwas anderes auf: Es bleibt betont unthematisiert, dass Patrick, Dom und Agustín schwul sind. Die Serie nimmt das als selbstverständliche Setzung. Nun kann man einwenden, dass in Teilen von San Francisco ein derartiger Zustand der Post-Diskriminierung wohl tatsächlich erreicht ist und dass zweitens ganze Wagenladungen von Fernsehserien von  "Will & Grace" über  "Queer As Folk" und  "Six Feet Under" bis hin zu  "Modern Family" die entsprechende Vorarbeit geleistet haben, damit sich "Looking" heute derartige Selbstverständlichkeiten leisten kann. Doch natürlich stehen diese nach wie vor in krassem Gegensatz zur Redneck- und Tea-Party-Realität, die weite Teile der USA nach wie vor prägt.

In "Looking" jedenfalls ist Queerness so allgegenwärtig, dass sie buchstäblich auch von jedem Kellnerjungen, Vorgesetzten und Praktikanten erwartet wird, der gerade ins Bild läuft. Angesichts der Tatsache, dass Schwule (von Lesben nicht zu reden!) in vielen Serien nach wie vor eher für die schrille Komik am Rande zuständig sind, müsste das eigentlich sehr erfrischend sein. Kurioserweise steht sich "Looking" dabei jedoch selbst im Weg. Warum etwa ist HBO so schamvoll bei den Sexszenen? Zwar lassen sich Agustín und Frank auf einen spontanen Dreier ein, zwar ist verdruckst von unbeschnittenen Mexikaner-Penissen die Rede, zwar ordert Dom per "Grindr" einen willigen Knaben in seine Wohnung, doch was an schwulem Sex dann letztlich zu sehen ist, wird von Fantasy-Epen wie  "Game of Thrones" und  "Spartacus" locker in den Schatten gestellt. Den eigenen Anspruch auf queere Selbstverständlichkeit führt "Looking" schon damit ad absurdum.

Was aber bleibt übrig, wenn sich die Serie weder für Genderpolitik noch für Sex interessiert? Vor allem die Erkenntnis, dass es in schwulen Hipster-Haushalten zwischen Alcatraz und Silicon Valley ebenso banal zugeht wie im Leben heterosexueller Sekretärinnen aus Remscheid. Patrick datet einen Doktor, doch dem ist er zu piefig. Dann wird er von einem sexy Latino-Türsteher angeflirtet, jedoch missrät auch dieser Treff. Dom trifft sich währenddessen mit seinem Ex: Der vegane Investor ist ein mieser Sack, den es innerlich endlich zu überwinden gilt. Und werden Agustín und Frank nach dem Zusammenziehen im jenseits der Bay liegenden Oakland dauerhaft zusammenbleiben? Dämmert da nicht schon am Horizont die graue Wolke der Beziehungsödnis? In den hippen Gay Clubs von Frisco spielen sie derweil offenbar immer noch die alten Songs von Erasure.

Schon klar, wer fernab abgrundtiefer Existenzialismen von Beziehungen erzählt, kommt um Soap-Standards schwer herum, weshalb man den Machern diese anfänglichen Plot-Mechanismen nicht sofort um die Ohren hauen muss. Potenzial für interessantere Entwicklungen ist allemal gegeben (in Episode drei tritt erstmals  "Zurück in die Vergangenheit"-Star Scott Bakula als alternder Florist auf). Was mich jedoch viel eher stört als queere Varianten altbekannter  "Sex and the City"-Routinen ist die soziale Losgelöstheit der Figuren: Sie bewegen sich durch San Francisco wie durch ihre eigene Ego-Blase, die mit dem Rest der Welt nichts, dafür umso mehr mit den eigenen Befindlichkeiten zu tun hat. Der Serientitel ist Programm: Alle Figuren "suchen" beständig, nach Liebe natürlich, doch noch viel mehr, scheint's, nach Bestätigung, nach dem nächsten Career Move oder dem nächsten Geschlechtsakt.

Diese Art Oberflächen-Suche zu porträtieren kann spannend sein - sofern die Autoren tiefer loten wollen. Doch im Fall von "Looking" bleibt unklar, ob Chef-Autor Lannan moderne Sinnkrisen ergründen möchte oder ob er sich nicht eher mit der gezeigten Lifestyle-Lebensangst gemein macht: Melancholie als schickes Accessoire. Man schaut gut aussehenden Männern zu, die sich optisch perfekt ins globalisierte schwule Hipstertum einfügen: Bärte, Holzfällerhemden, Skinny Jeans. Zwischen Zumba-Kurs, Convenience Food und OKCupid auf dem Smartphone wirkt ihre "Alternativeness" immer nur behauptet. In Wahrheit frönen sie einem Konsumismus, den die Serie zu keiner Zeit hinterfragt.

Trotzdem: Man kann sich "Looking" ansehen - und dafür ist vor allem die Regie verantwortlich. Haigh, Regisseur der ersten Folgen, setzt auf angenehmes Understatement. Der Witz rumpelt nicht und poltert nicht, er entwickelt sich zaghaft aus den Situationen heraus. Geradezu herausragend ist die Kameraarbeit und Haighs inszenatorisches Gespür für den Raum und die Stimmungen der Stadt: Ich kann mich an kaum einen Film und keine Serie seit den  "Straßen von San Francisco" erinnern, der/die San Francisco ähnlich plastisch zum Leben erweckt hätte. Meer, Häuser, WGs, Nachtleben, die Muni-Züge: Die Aussicht auf weitere Einblicke in diese viel zu selten als Spielort dienende Stadt macht Lust auf weitere Episoden. In puncto Plot bleibt dagegen vorerst Skepsis angesagt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Looking".

Meine Wertung: 3/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: HBO


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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