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TV-Kritik/Review: Low Winter Sun

TV-Kritik zum neuen AMC-Thriller - von Marcus Kirzynowski
(26.08.2013)

Kriminalbeamte oder Verbrecher? Bei "Low Winter Sun" verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse.
Kriminalbeamte oder Verbrecher? Bei "Low Winter Sun" verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse.


Urteilt man nach dem Bild, das jüngere US-Fernsehserien vermitteln, steht es um Amerikas Großstädte nicht gut. Nach dem vom Drogenhandel beherrschten Baltimore in  "The Wire" und dem halb weggeschwemmten Post-Katrina-New Orleans in  "Treme", jeweils bei HBO, zeigt uns AMC nun in  "Low Winter Sun" ein verfallendes, post-industrielles Detroit. Da passt es perfekt, dass kurz vor dem Start der Serie die Meldung durch die Nachrichten ging, die ehemalige Autostadt in Michigan habe als erste Metropole der USA ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. In der Serie von Chris Mundy scheint der Verfall total zu sein: Nicht nur, dass wir ständig heruntergekommene Einfamilienhäuser und stillgelegte Fabriken zu sehen bekommen, auch die Moral der Einwohner, inklusive der Mitarbeiter städtischer Institutionen, scheint längst am Ende. Gleich zu Beginn der ersten Folge bringen zwei Cops der Mordkommission, Frank Agnew (Mark Strong) und Joe Geddis (Lennie James), einen dritten grausam um. Warum genau, bleibt im Ungewissen, es wird nur so viel klar, dass dieser Brendan McCann korrupt war und irgendetwas mit dem Verschwinden von Agnews Freundin zu tun hat. Nachdem die beiden Polizisten ihren Kollegen in einem Spülbecken ertränkt haben, packen sie ihn in ein Auto und fahren es in den Fluss - sein Tod soll wie ein Selbstmord aussehen. Was sie erst danach erfahren: Die interne Ermittlungsabteilung war McCann schon dicht auf den Fersen und dem nun ihrer Abteilung zugeteilten Simon Boyd (David Costabile) passt es überhaupt nicht, dass sein Verdächtiger plötzlich freiwillig aus dem Leben geschieden sein soll. Ein zweiter Toter ohne Kopf entpuppt sich eine Episode später zudem noch als Spitzel der Innenrevision. So schnell werden Agnew und Geddis Boyd (und ihre eigenen Dämonen) nicht wieder loswerden - das ist klar.

Während in herkömmlichen Krimiserien die Ermittler der Polizei Morde aufzuklären versuchen, die andere begangen haben, scheinen in Mundys Detroit die Beamten der Mordkommission gleich alle Morde selbst zu begehen. Arbeitsorganisatorisch mag das effizient erscheinen, allzu realistisch ist es eher nicht. Aber wir scheinen uns hier ohnehin nicht in einem realistischen Setting zu befinden, sondern in einer Welt, die durch und durch böse ist. Die Kriminalbeamten unterscheiden sich von den Drogenbossen nur dadurch, dass erstere eine Polizeimarke tragen. Das ist nicht unbedingt neu, war so ähnlich auch schon in TV-Serien wie  "The Shield" oder Kinofilmen wie Abel Ferraras "Bad Lieutenant" zu sehen. Anders als in diesen Erzählungen bieten die "Low Winter Sun"-Autoren aber gar nicht erst eine nachvollziehbare Erklärung für die allumfassende Korruption ihrer Protagonisten an. So bleiben diese im Grunde uninteressant: Alle sind moralisch verkommen, niemand hat sympathische oder auch nur ambivalente Charakterzüge. Jeder denkt nur an sich selbst und seinen eigenen Vorteil. Identifikationsmöglichkeiten für die Zuschauer bieten sie auf diese Weise nicht. Michael Chiklis korrupt-gewalttätiger Detective Vic Mackey stürzte die Zuschauer in "The Shield" zumindest noch in ein Wechselbad der Gefühle, wenn er erst einer alleinerziehenden Prostituierten Geld für ihr Kind zusteckte und wenig später einen auf ihn angesetzten Kollegen im Einsatz eiskalt abknallte. Von solchen vielschichtigen Figuren sind Agnew und Geddis weit entfernt.

Mark Strong spielt wie schon in der britischen Vorlage Frank Agnew.
Mark Strong spielt wie schon in der britischen Vorlage Frank Agnew.

Von "The Wire", der wohl detailliertesten und ausuferndsten Schilderung des Niedergangs einer ehemaligen amerikanischen Industriemetropole, hat "Low Winter Sun" nicht nur die städtebauliche Kulisse übernommen, sondern gefühlt auch noch das halbe Personal: Innenermittler David Costabile war in der letzten Staffel von David Simons Dramaserie der geschäftsführende Redakteur der Lokalzeitung Baltimore Sun (zudem kennen ihn  "Breaking Bad"-Fans als Gale Boetticher). Und James Ransone, der hier den Drogenboss Damon Callis gibt, der den Handel in seiner Stadt kontrollieren will, war in der zweiten "The Wire"-Staffel noch Ziggy Sobotka, der kriminelle Sohn des Chefs der Hafengewerkschaft. In der Hauptrolle nimmt der Charakterkopf Mark Strong die Rolle wieder auf, die er bereits 2006 im gleichnamigen britischen TV-Zweiteiler gespielt hat, auf dem die AMC-Serie basiert. Deutsche Zuschauer kennen ihn bisher wahrscheinlich eher aus Kinofilmen wie "Dame, König, As, Spion" oder "Kick-Ass". In den ersten Folgen sticht er noch nicht besonders aus der übrigen Besetzung heraus, die meiste Zeit guckt er bedeutsam schweigend unter seiner Glatze hervor oder bedroht seinen Kollegen mit leise gezischten Sätzen voller mühsam unterdrückter Wut.

Die Bildgestaltung ist ausgetüftelt düster, die Farbtöne changieren zwischen gedämpftem Ocker-Braun und Grau-Schwarz. Selbst am Tage bewegen sich die Figuren ständig in leerstehenden Fabrikhallen oder engen Küchen, in die kaum Licht fällt. Manche halten das wahrscheinlich für große Kunst, andere werden versuchen, die Helligkeit an ihrem Fernseher nachzustellen, da oft kaum zu erkennen ist, wer eigentlich gerade im Bild ist. Handwerklich ist das alles durchaus angemessen und konsequent umgesetzt. Aber welchen Sinn hat eine Besetzung talentierter Schauspieler eigentlich, wenn ihre Gesichter die meiste Zeit unausgeleuchtet im Dunkel verschwinden? Zudem bieten die Bilder nichts, woran sich der Zuschauer festhalten könnte.

Aus einem 180-minütigen Zweiteiler eine ganze Serie zu machen, stellt sich bei "Low Winter Sun" als nicht besonders gelungene Idee heraus. Was in der Verdichtung auf eine begrenzte Laufzeit durchaus Spannung entwickeln kann, entpuppt sich als zu schwach, um eine ganze Staffel von zehn Folgen zu tragen - von mehreren Staffeln ganz zu schweigen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "Low Winter Sun".

Meine Wertung: 3/5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: AMC


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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