Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten

TV-Kritik/Review: Minority Report

Serienadaption des Spielberg-Sci-Fi-Thrillers - von Gian-Philip Andreas
(12.10.2015)

Ein weiteres ungleiches Ermittlerduo: Dash Parker (Stark Sands) war früher versklavter Precog und unterstützt jetzt die Kriminalbeamtin Lara Vega (Meagan Good)
Ein weiteres ungleiches Ermittlerduo: Dash Parker (Stark Sands) war früher versklavter Precog und unterstützt jetzt die Kriminalbeamtin Lara Vega (Meagan Good)


Sie wurden längst geführt, die Diskussionen darüber, ob es sinnvoll ist, aus Kinofilmen Serien zu machen, ob etwas Eigenständiges aus der Serialisierung von Leinwand-Erfolgen erwachsen kann, ob es sich dabei nicht bloß ums Melken von Marken handelt. Die Antworten fielen gegensätzlich aus: Wer zum Beispiel  "Fargo", die Serie, gesehen hat, wie sie die Atmosphäre, den Humor und die tiefschwarze Garstigkeit des Film-Originals in einen ganz neuen, originellen Plot integrierte, wird am grundsätzlichen Gelingenkönnen eines solchen Vorhabens nicht zweifeln. Wer dagegen etwa jüngst miterlebte, wie  "Scream", die Serie, bloß auf einem alten Knochen herumkaute, der wird anders denken. Mal gelingt's also, und mal geht es schief - warum man aber überhaupt auf die Idee kommen kann, einen der maßgeblichen Science-Fiction-Filme der Nullerjahre ausgerechnet als unoriginelle SF-Variante eines handelsüblichen Procedurals in Serie zu bringen, das bleibt ein Rätsel.

So geschehen mit "Minority Report", 2002 fürs Kino gedreht von Steven Spielberg mit Tom Cruise. Der als Autor des jüngsten "Godzilla"-Remakes in Erscheinung getretene Max Borenstein legt als Creator der Serien-Fassung auf FOX keine inhaltliche Variation vor (wie "Fargo"), auch keine Nacherzählung mit anderen Darstellern (wie  "From Dusk Till Dawn - Die Serie"), sondern ein serialisiertes Sequel, das elf Jahre nach den Geschehnissen des Kinofilms angesiedelt ist und auf narrativer Continuity besteht (was so weit geht, dass mit Daniel London einer der Schauspieler die damalige Rolle wieder aufnimmt). Steven Spielberg ist als Executive Producer an Bord.

Leider aber will Borenstein - so scheint's in den ersten Episoden - bloß eine weitere Krimiserie mit ungleichem Ermittlerduo erzählen: taffe Polizistin und Precog. Zur Erinnerung: Die Precogs, das waren im Film die drei menschlichen Medien Agatha, Dash und Arthur, die von der Polizei in Washington versklavt wurden, da sie zukünftige Verbrechen voraussehen konnten. Vermittels ihrer Visionen konnte die "PreCrime"-Unit der Polizei potenzielle Straftäter dingfest machen, noch bevor diese überhaupt zur Tat schritten. Anders als in der zugrunde liegenden Erzählung (1956) von "Blade Runner"-Autor Philip K. Dick endete der Film mit einem Happy End: Das PreCrime-Programm wurde eingemottet, die Precogs fanden Zuflucht auf einer idyllischen Insel im Atlantik.

Zu Beginn der Pilotepisode bringt uns ein referatgleiches Intro in Was-zuvor-geschah-Manier auf genau diesen Stand. Im Kinofilm war Samantha Morton als Agatha ein absolutes Highlight, doch ihre Rolle übernimmt jetzt Laura Regan (aus Wes Cravens "They"). Auch die beiden Zwillinge Arthur und Dash, im Kinofilm nur Randiguren, wurden umbesetzt - mit Nick Zano ("Final Destination 4") und Stark Sands ( "Generation Kill"). Agatha und Arthur bleiben eingangs weitgehend außen vor; zunächst wird das zentrale Duo der Serie eingeführt: die junge, attraktive Polizistin Lara Vega (Meagan Good, "Stomp the Yard") und Dash.

Der irrlichtert jenseits der Exil-Insel längst wieder durch die Stadt, wo er sich, von soundtechnisch aufgepumpten Schreckensvisionen quasi-epileptisch gepeinigt, wieder als Mordverhinderer betätigen will. Doch präsentieren sich seine Hellsehereien fragmentarisch - für ein komplettes Bild bräuchte er die Mithilfe Arthurs, der früher, zu PreCrime-Zeiten, mit ihm vernetzt war, heute aber als fürstlich bezahlter Privatermittler sein eigenes Ding dreht (und in einem luxuriösen Loft lebt). Ohne Arthur muss Dash also erst einmal zum Partner von Detective Vega werden, die sehr lange braucht, um herauszufindern, dass es sich bei dem sozial ungelenken Typen, der ihr da seine Hilfe anbietet, um einen Precog handelt. Meagan Good ist eine sympathische Darstellerin, Vega aber eine denkbar unglaubwürdige Ermittlerin - was nicht nur an ihren absurd engen Lederjäckchen liegt, die selbst im Kugelhagel zielgenau jene Rundungen freilegen, auf die es die Macher offenbar abgesehen haben. Mit ihrem Vorgesetzten Will Blake, charmant-lässig gespielt von  "Die wilden Siebziger"-Star Wilmer Valderrama, war Vega mal amourös verbandelt, jedenfalls wird das vieldeutig insinuiert. Schließlich gehört noch Forensikerin Akeela (Li Jun Li) zum Ermittlerteam - als Fashion-Geisha mit sonderbaren Tattoos im Gesicht sieht sie aus, als habe sie sich vom Set eines 80er-Musikvideos in die Serienzukunft verirrt.

Hat seine Fähigkeiten zu Geld gemacht: Ex-Precog Arthur (Wilmer Valderrama)
Hat seine Fähigkeiten zu Geld gemacht: Ex-Precog Arthur (Wilmer Valderrama)

Die Kriminalfälle, die in den ersten beiden, von Borenstein geschriebenen Folgen durchdekliniert werden, sind, wenn man den Sci-Fi-Schnickschnack beiseitelässt, schlicht enttäuschend: Da geht es erstens um zwei früher von PreCrime verurteilte Noch-nicht-Mörder auf Rachetour (einer von ihnen möchte einen Schwarm mit Biowaffen bestückter Killertauben auf den Bürgermeisterkandidaten Van Eyck loslassen), zweitens um einen Frauenschänder aus dem Black-Music-Club. Beides wird ohne jede überraschende Wendung abgewickelt. Wally, der erneut von Daniel London gespielte "Caretaker" der Precogs, macht Dashs Visionen per Techno-Helm für andere sichtbar und auf Hinweise durchsuchbar, der smarte Arthur wird pro Episode einmal zu Rate gezogen, um Dashs Sicht der Dinge zu komplettieren - dazu noch eine Verfolgungsjagd, ein falscher Verdächtiger, zack, Fall gelöst. Es ist zum Gähnen!

Weil das wohl auch Borenstein wusste, wird sehr viel Erzählzeit darauf verwendet, das Zukünftige der Zukunft auszumalen. Kurzer Ausschnitt: Im Washington des Jahres 2065 gibt es Werbung für Marihuana, im Fast-Food-Restaurant servieren Roboter gesunde Pommes, Fremdenführer bieten historische Touren durch die ehemalige PreCrime-Unit an, die 75. Staffel der  "Simpsons" läuft, Skype funktioniert mit Hologrammen, Kenner hören Oldies von Beyoncé bis Iggy Azalea, und penetrant schwärmen alle von den guten, alten Zeiten, als man beim Betreten eines Clubs noch nicht per Datenarmband automatisch dem passendsten (Sexual-)Partner zugematcht wurde, sondern sich noch altmodisch per Tinder kennenlernte und auf dem Smartphone romantisch von Bild zu Bild wischte. Überhaupt das Swipen: Das wurde von Tom Cruise im "Minority Report"-Kinofilm ja quasi erst populär gemacht, fünf Jahre vor dem ersten iPhone. Detective Vega, ausgestattet mit speziellen Kontaktlinsen, swipet und wischt sich jetzt noch exzessiver durch Hologramme und andere Tatortvisualisierungsgrafiken als Josh Holloway in "Intelligence" - und das will was heißen!

Das übertrieben ironisch ausgestellte future building (was heute trendy ist, wird zum Retro der Zukunft) überdeckt beinahe den größten Schwachpunkt der Serie: den ärgerlichen Umgang mit den ethischen Aspekten des Themas. Der Twist der Dick-Story und auch des positiver gestimmten Films war es schließlich, den unauflösbaren Zwiespalt der Pre-Crime-Justizordnung vorzuführen, denn wer bloß verdächtigt wird, in Zukunft schuldig zu werden, ist im Jetzt noch nicht schuldig geworden und darf also auch nicht verurteilt werden. Die Serie wirkt in dieser Hinsicht bislang irritierend unkritisch, wandelt gar an der Schwelle der totalen Umdeutung der alten Kritik, wenn sie die Precog-Fähigkeiten als zentrales und notwendiges Ermittlungsinstrument feiert. Einmal darf sich Wally sogar höhnisch darüber beklagen, dass das PreCrime-Programm inzwischen leider als "faschistisch" gilt. Auch andere Technologien, die in der Serie unkritisch verwendet werden, würden NSA-Agenten neidisch machen: Wärmesicht-Kontaktlinsen etwa, die bequem durch Wände blicken lassen.

Gewiss bleibt es abzuwarten, ob Borenstein hier nur falsche Fährten legt. Immerhin wird in kurzen Szenen nahegelegt, dass die Precogs Agatha und Arthur eine erneute Versklavung durch die Polizei befürchten. Und Van Eycks "Hawkeye"-Programm, das massendatengestützte Vorhersagen in die Verbrechensbekämpfung integrieren will, ist von ähnlich beängstigenden Bemühungen unserer Zeit nicht weit entfernt: Das sind durchaus Ansatzpunkte für einen übergreifenden horizontalen Plot, der den Rest der Story in eine kritischere Perspektive rücken könnte, als es eingangs den Anschein hat, weshalb da das letzte Wort noch nicht gesprochen sein soll.

Die Ödnis der abgenutzten Krimi-Standards, die unter dem ganzen Sci-Fi-Bling-Bling ihre stereotypen Routineschleifen ziehen, gilt allerdings schon jetzt als diagnostiziert.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der  Serie.

Meine Wertung: 2.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Amblin Television, Paramount Television, 20th Century Fox Television


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

Beitrag melden

  •  

Leserkommentare

  • Lilly_Rush schrieb am 23.10.2015, 18.55 Uhr:
    Hm.... hab den Film gesehen, war nicht schlecht, die Story fand ich aber etwas wirr. Die Serie muss nicht unbedingt sein, finde ich.
  • User_929455 schrieb am 12.10.2015, 14.42 Uhr:
    Naja, eine Sci-Fi-Serie guck ich mir zu 50% auch wegen dem Sci-Fi-Schnickschnack nunmal an und wenn der gut gemacht ist, ist doch schonmal super. Und wenn die Figuren optisch auch ansehnlich sind (ist ja schließlich Fernsehen und kein Hörspiel oder Buch) schau ich auf jeden Fall mal rein, zumal die Fälle wenigstens 0-8-15-Standardkost zu sein scheinen. Ob ich dann aber langfristig dabeibleibe hängt dann von den Beziehungsentwicklungen bzw. Chemie der Haupt-/Nebenfiguren und den staffel- bzw. serienübergreifenden Handlungssträngen ab, die in dieser Kritik zu nur 2 Folgen ja noch gar nicht bekannt sind und nicht beurteilt wurden/werden können.