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TV-Kritik/Review: Salem

TV-Kritik zum US-Hexendrama - von Gian-Philip Andreas
(10.06.2014)

Mary Sibley (Janet Montgomery) möchte zur mächtigsten Hexe von Salem werden.
Mary Sibley (Janet Montgomery) möchte zur mächtigsten Hexe von Salem werden.


Und schon wieder: Hexen. Für alle, die nach den Teufelsfrauen und -herren aus "American Horror Story" oder "Sleepy Hollow", aus "The Originals" und dem Südstaaten-Matriarchat von "The Witches of East End" noch immrt nicht genug haben, schickt WGN America nun  "Salem" ins Rennen. Es ist die erste fiktionale Serie überhaupt, die der in Chicago verwurzelte Kabelsender produzieren ließ, und anders als die erwähnten anderen Titel liegt ihr ein historisch verbürgtes, unrühmliches Kapitel amerikanischer Geschichte zugrunde: die Hexenprozesse von Salem in den Jahren 1692/93.

Diese Prozesse, in denen zahlreiche Frauen von fundamentalistischen Puritanern um den Prediger Cotton Mather zum Tode verurteilt wurden, sind schon oft Gegenstand literarischer Bearbeitungen gewesen. Am berühmtesten ist sicher Arthur Millers Theaterstück "Hexenjagd", 1996 verfilmt mit Winona Ryder und Daniel Day-Lewis. Nicht nur Miller (der darin die Kommunistenhatz im Amerika der Fünfzigerjahre attackierte) nutzte die Hexenjagd als Metapher für frömmelnde Paranoia verschiedenster Art.

Die beiden Männer hinter "Salem" hingegen haben, wie's ausschaut, eher eine klassische Horrorgeschichte im Kostümfilmgewand im Sinn. "Star Trek"-Routinier Brannon Braga und Adam Simon ("Das Haus der Dämonen") nehmen sogar eine zentrale, reichlich problematische Umwertung der Hexenprozesse vor: Bei ihnen nämlich besteht kein Zweifel, dass es die Hexen tatsächlich gibt. Sie entspringen im Kosmos der Serie also nicht der paranoiden Gottesfurcht von Puritanern des 17. Jahrhunderts, vielmehr stellen sie eine reale Bedrohung dar. Dazu am Schluss noch etwas mehr.

Als zentrales, verhindertes Paar der Serie dienen Mary Sibley (Janet Montgomery) und John Alden (Shane West, "Nikita"). Zu Beginn der Pilotfolge erwartet Mary ein Kind von John. Weil sie ihn, der in den Krieg gezogen ist, für tot hält und unverheiratet ist, käme eine Geburt im bigotten Umfeld der Pilgerväter im ruralen Massachusetts einer Todsünde gleich. Deshalb lässt sich Mary das Kind von ihrer karibischen Vertrauten Tituba (Ashley Madekwe, "Revenge") in einer Art Voodoo-Abtreibungszeremonie entfernen: Damit hat sie ihre Seele buchstäblich an den Teufel verkauft. (Den Genderdiskurs, der hier fällig wäre, lasse ich mal aus.) Nach einem Zeitsprung von sieben Jahren ist Mary mit dem einflussreichen George Sibley verheiratet. Über dessen fanatisches Wesen legt bereits die Eingangsszene beredtes Zeugnis ab: Da steht ein anderes, unverheiratetes Liebespaar am Dorfpranger, es wird brutal ausgepeitscht, und dann brennt Sibley dem Mann ein großes "F" (für "fornicator", Hurenbock) auf die Stirn. Nach dem Zeitsprung ist Sibley allerdings ein sabbernder alter Mann im Rollstuhl. Die inzwischen zur prächtigen Hexe avancierte Mary scheint den Gatten gezielt ausgeschaltet zu haben, um dessen Macht und Reichtum für sich allein zu haben. Einmal täglich zieht sie eine Kröte aus seiner Speiseröhre, nährt sie mit Milch aus einer Zitze an ihrem Bein und stopft sie ihm wieder in den Schlund. Guten Appetit!

Dann kehrt John aus dem Krieg zurück. Er muss erfahren, dass jetzt ein noch fanatischerer Puritaner in der Stadt das Sagen hat: Reverend Cotton Mather (Seth Gabel aus "Dirty Sexy Money") predigt in der schmucklosen Holzkirche unerbittlich gegen die von ihm im Ort vermuteten Hexen an und gibt den Einpeitscher im Kampf gegen den Teufel. Dass er sich nächtens mit seiner Lieblingshure Gloriana (Azure Parsons) verlustiert, passt gut zur reißbrettartigen Charakterzeichnung dieser Serie: Aha, ein Heuchler also! Der nobel perückte Magistrat Hale (Xander Berkeley) gehört wie Mather zur Nomenklatura von Salem, ist aber der Eiferei Mathers gegenüber verdächtig skeptisch - kein Wunder, dass man bald erfährt, dass auch er ein Hexer ist. Am Ende der ersten Folge lässt Mary durchblicken, was sie plant: Im Zuge der Hexenprozesse, die sie durch magische Manipulationen zielstrebig beeinflusst, sollen sich die Puritaner gegenseitig eliminieren, damit Salem am Ende allein von den Hexen regiert werden kann. Der Grund für Marys Wunsch, an den Puritanern so umfassend Rache zu nehmen, erschließt sich aus dem knappen Prolog allerdings nur rudimentär.

Die realen Hexenprozesse des 17. Jahrhunderts bilden das Grundgerüst der Serie "Salem".
Die realen Hexenprozesse des 17. Jahrhunderts bilden das Grundgerüst der Serie "Salem".

Braga und Simon treiben erheblichen Aufwand, den Hexenspuk dunkelromantisch auszugestalten. Schon im Vorspann heult Marilyn Manson über einen seiner üblichen Stampfbeats die Zeile "Pound me with the witch drums!" (was auch immer das bedeuten mag), während Runengekritzel durchs Bild flimmert und Hexen am Galgen baumeln. Für die Außenaufnahmen wurde ein historisch akkurates Kulissendorf in den neuenglischen Wald gestellt - es sieht aus, als hätte der Produktionspraktikant vor jeder Aufnahme alle Mauern abgewischt. So verströmt das Setting ein wenig das Flair der Karl-May-Festspiele in Elspe, einzig die digital gerenderten Schiffe in der Bucht vor Salem ragen aus diesem ästhetischen Sauerland heraus. Quer durchs Bild marschieren Menschen in frisch gebügelten Puritaner-Capes, die Herren tragen dazu die hippen Vollbärte amerikanischer Singer-Songwriter. Die Frauen sitzen in der Stube und sticken.

Zwischendurch schrecken die Macher den sedierten Zuschauer immer wieder mit Ekelsequenzen auf. Wenn es darum geht, diverse Grausamkeiten in Bild und Ton auszuschmücken, lassen sie sich jedenfalls nicht lumpen. Da huschen dann verwesende Gruselzombiehexen durchs Bild, die nur von bestimmten Menschen (und den Zuschauern!) gesehen werden können, es gibt Exorzismen, Insekten kriechen über nackte Frauenkörper oder aus abgehackten Händen heraus, in der Walpurgisnacht erheben sich Teufelspranken aus dem Schmoddersumpf, dann tanzen die Hexen mit Schweinemasken, assistiert von Fröschen mit zugenähten Augen. Nach einer Sturzgeburt mit unschön herauspolterndem Babyklumps wird die zuständige Hebamme ruckzuck gehängt (während sie baumelt, entleert sich noch ihre Blase), und ein scheinbar besessenes Mädchen namens Mercy (Elise Eberle) wird von Mather in der Kirche ans Kreuz getackert. Dort kotzt sie später gigantische Blutschwälle aus.

Tricktechnisch ist das in Ordnung, leider dienen diese Schocks ausschließlich dem Selbstzweck. Dafür hat die Serie alle Mühe, Spannung und Empathie aufkommen zu lassen. Allein schon das eindimensionale Protagonistenpaar! Montgomery und West funktionieren nicht miteinander, ihre andauernde Zuneigung bleibt bloße Behauptung. West versucht sich wohl an einer rebellischen Einzelgängerfigur im Geiste von Sawyer aus "Lost", wirkt dabei aber ebenso grobschlächtig wie Seth Gabel als der mit einem freudschen Vaterkomplex ausgestattete Mather. Größtes Potenzial für eine zumindest halbwegs interessante Figurenentwicklung hat noch Anne (Tamzin Merchant), die Tochter von Hale, die zaghaft anfängt, gegen das Puritanerregime aufzubegehren. Jenseits davon verschraubt sich der Plot in ausufernde Ödnis: Wenn etwa endlos herummanövriert wird, wer denn nun außer dem "fornicator" Isaac (Iddo Goldberg) den Hexensabbat heimlich beobachtete, muss man sich schon wirklich Mühe geben, um angesichts all der ungelenken Dialoge und mäßigen Darstellerleistungen noch dranbleiben zu wollen. Anderen aktuellen Gruselserien wie "Penny Dreadful" kann man den Willen zum Camp und eine gewisse Selbstironie zugutehalten. "Salem" jedoch nimmt sich jederzeit ernst. Und hat dafür längst nicht genug Gewicht.

Am problematischsten jedoch bleibt dabei die Entscheidung, die Hexen tatsächlich Hexen sein zu lassen. Denn diese Umwertung der Geschichte legitimiert das Vorgehen der Puritaner - sowohl im historischen Rückblick als auch in der inneren Logik der Serie. Das Unerhörte der historischen Prozesse war jedoch, dass Frauen aus religionspolitischen Gründen zu Sündenböcken für ganz andere (oder eingebildete) Probleme gemacht wurden. Da es in "Salem", der Serie, aber tatsächlich Hexen gibt, ist Cotton Mathers "Hexenjagd" nicht mehr nur als frömmelnde Eiferei abzulehnen, sondern eine verständliche Strategie. Die Möglichkeit, die Prozesse als Sinnbild für fundamentalistische Paranoia zu behandeln, fällt damit komplett weg. Was aber bleibt dann noch außer bloßem Budenzauber? Vielleicht haben die Herren Braga und Simon ja eine radikal-feministische Agenda im Sinn, oder aber die 13 Episoden steuern auf einen genialen Clou zu. Allein: Der rechte Glaube daran, der fehlt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden der Serie.

Meine Wertung: 2/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: WGN America


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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