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TV-Kritik/Review: Show Me a Hero

Hoch aktuelle HBO-Miniserie des "The Wire"-Schöpfers - von Marcus Kirzynowski
(14.09.2015)

Bürgermeister Nick Wasicsko (Oscar Isaac) und Ehefrau Nay (Carla Quevedo) warten auf einen Richterspruch
Bürgermeister Nick Wasicsko (Oscar Isaac) und Ehefrau Nay (Carla Quevedo) warten auf einen Richterspruch


"Show me a hero and I’ll write you a tragedy", schrieb schon der bekannte US-amerikanische Romancier F. Scott Fitzgerald: "Zeige mir einen Helden und ich schreibe dir eine Tragödie." Von einem solchen "Helden" (wider Willen) erzählt  "The Wire"-Schöpfer David Simon - basierend auf wahren Begebenheiten - in seiner neuen Miniserie für HBO, die sich mit  "Show Me a Hero" den Anfang des Zitats als Titel geliehen hat. Nick Wasicsko wurde 1987 zum jüngsten Bürgermeister einer US-Großstadt gewählt, weil er versprochen hatte, sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen ein von einem Bundesrichter angeordnetes Wohnungsbauprojekt zu wehren: Erstmals sollten in Yonkers im Bundesstaat New York Sozialwohnungen für die überwiegend schwarzen Hilfsbedürftigen mitten in einem Stadtteil gebaut werden, der bislang ausschließlich von der weißen Mittelschicht bevölkert wurde.

Direkt nach der unerwartet gewonnenen Wahl zum Stadtoberhaupt erfährt Wasicsko allerdings, dass die Berufung gegen den richterlichen Beschluss abgelehnt wurde und muss nun das in dem Stadtteil unbeliebte Projekt voranbringen. Die Wutbürger, die ihm ins Amt verholfen haben, richten ihre Aggressionen jetzt gegen ihren einstigen Hoffnungsträger. Und auch im eigenen Stadtrat hat er es mit einigen unbelehrbaren Betonköpfen zu tun, die lieber öffentlichkeitswirksam in Beugehaft gehen würden als ihre Meinung zu ändern.

Es ist eine Geschichte von geradezu erschreckender gesellschaftspolitischer Aktualität und Brisanz, die Simon und sein Koautor William F. Zorzi in dieser sechsteiligen Miniserie erzählen: In den USA zogen Kritiker Vergleiche zu Ferguson und anderen US-Städten, in denen in jüngster Zeit alte "Rassenkonflikte" wieder aufgeflammt sind. Noch näher liegen aber die Parallelen zur gegenwärtigen Lage in Europa und insbesondere in Deutschland, wo zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung des Werks wieder Flüchtlingsheime brennen und selbsternannte Wutbürger mit rassistischen Parolen vor Auffanglagern herumpöbeln. Nein, Rassisten wollen sie natürlich nicht sein, diese "besorgten Bürger", genauso wenig wie seinerzeit in Yonkers die lautstarken Gegner des sozialen Wohnungsbaus außerhalb der traditionell als Ghettos abgestempelten Armenviertel. Stattdessen ginge es ihnen ja nur um sinkende Immobilienpreise und darum, dass die "Anderen" halt irgendwie nicht in ihre Stadtteile passen würden. Welche Eskalationsspirale eine solch engstirnige Haltung in Gang setzen kann, zeigen Simon und Zorzi auf emotional ungemein packende Weise: Vernünftige Arbeit ist dem Stadtrat bald nicht mehr möglich, da der Ratssaal ständig von krakeelenden Bürgern belagert wird, persönliche Angriffe auf Politiker inbegriffen.

Wutbürgerin Mary Dorman (Catherine Keener) kommt ins Zweifeln
Wutbürgerin Mary Dorman (Catherine Keener) kommt ins Zweifeln

Parallel zu den dramatischen politischen Ereignissen, die die Serie in von Simon gewohnter Detailliertheit Revue passieren lässt, führt sie die Zuschauer an vier Einzelschicksale von Betroffenen heran: Diese Bewohner der projects zeigen beispielhaft, was es bedeutet, an einem solchen Ort der geballten Armut, Drogensucht und Kriminalität zu leben. Mit dem umkämpften Neubauprojekt ergibt sich für sie die Möglichkeit, diesen desaströsen Wohnverhältnissen zu entkommen - und damit auch den scheinbar vorgezeichneten Lebenswegen, die sich in einem solchen sozialen Umfeld trotz aller individuellen Bemühungen oftmals reproduzieren. Die Trennung zwischen den beiden Handlungselementen - den fast ausschließlich weißen Pro- und Antagonisten auf der politisch-juristischen Ebene und den afro- oder hispano-amerikanischen Betroffenen auf der anderen - wirkt etwas unglücklich.

Vor allem bleibt in knapp sechs Stunden Laufzeit zu wenig Platz, um die verschiedenen Bewohner als Individuen zu charakterisieren. Außerdem erzeugen die längeren Zeitsprünge (die Handlung deckt insgesamt sieben Jahre ab) manchmal merkwürdige Eindrücke, etwa wenn eine Afro-Amerikanerin scheinbar plötzlich an der Nadel hängt. Erst gegen Ende, wenn die Menschen allen Widerständen zum Trotz in den neuen Häusern eingezogen sind, fangen einige von ihnen an, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Mit dem von "The Wire"-Veteran Clarke Peters gespielten Nachbarschaftsberater, der den Integrationsprozess für die Wohnungsgesellschaft begleitet, wird zudem in den letzten beiden Folgen noch eine der interessantesten Figuren eingeführt, eben jemand, der es versteht, die gegenseitigen Vorurteile der Neu- und Alteinwohner aufzubrechen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht aber bis zum Schluss der tragische Held des Titels: Nach seiner baldigen Abwahl als Bürgermeister versucht er, in verschiedenen politischen Ämtern wieder Fuß zu fassen, gerät dabei aber immer stärker Richtung Abgrund. Dabei zeichnen die Autoren und Hauptdarsteller Oscar Isaac ("Inside Llewyn Davies") Wasicsko sehr ambivalent, eher als Opportunisten, der politische Macht im Grunde nur zur Kompensation seines geringen Selbstwertgefühls braucht und dabei eher zufällig das moralisch Richtige tut. Wie er persönlich eigentlich zu dem umstrittenen Wohnungsprojekt steht, das sowohl seinen Aufstieg wie auch sein Scheitern verursacht, erfahren wir nie. Er ist eine dieser typischen David-Simon-Figuren, die letztlich von dem System aufgerieben werden, in dem sie zu schwimmen versuchen - wie wir sie auch schon aus "The Wire" oder  "Treme" zur Genüge kennen.

Auf Schauspielerseite hat HBO um ihn herum ein großes Ensemble teils namhafter Kino- und Seriendarsteller versammelt: Alfred Molina, Winona Ryder haben in teils nur sehr kleinen Rollen ihre Auftritte. Insgesamt sind die rund 15 Hauptdarsteller allerdings etwas zu viel für eine Miniserie, eine Konzentration etwa auf nur einen beispielhaft ausgewählten Sozialbaubewohner wäre wahrscheinlich in emotionaler Hinsicht zielführender gewesen. Deutlich von Simons vorherigen HBO-Dramen abheben kann sich die Serie auf stilistischer Ebene: Die Kameraarbeit und Inszenierung wirkt wesentlich filmischer als der dokumentarisch anmutende Direct-Cinema-Stil, den man bisher mit seinen Serien in Verbindung brachte. Das ist wohl vor allem der Anteil von Oscar-Preisträger Paul Haggis ("L.A. Crash"), der bei allen Folgen Regie geführt hat. Zudem hat irgendjemand der Verantwortlichen eine große Liebe für Bruce Springsteen, dessen frühe Lieder den Soundtrack fast alleine bestreiten.

Insgesamt ist es eine solide Miniserie geworden, wenn auch kein Meisterwerk ? la "The Wire". Mit Blick auf die Konflikte angesichts der stark gestiegenen Flüchtingszahlen ist es allerdings (leider) auch eine höchst aktuelle Serie.

Dieser Text basiert auf Sichtung der gesamten Miniserie.

Meine Wertung: 4/5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: HBO


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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