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TV-Kritik/Review: "Shut Eye"

Tolle Besetzung und schicke Optik versanden in unebener Serie - von Gian-Philip Andreas
(19.12.2016)

Charlie Haverford (Jeffrey Donovan, r.) mit seinem Boss Fonso Marks (Angus Sampson, M.) und dessen Mutter Rita (Isabella Rossellini)
Charlie Haverford (Jeffrey Donovan, r.) mit seinem Boss Fonso Marks (Angus Sampson, M.) und dessen Mutter Rita (Isabella Rossellini)

Die Welt der Illusionisten und Zauberer ist ein Lieblingsthema vieler Autoren und Regisseure, hat doch das Schreiben und Filmemachen selbst viel mit Magie zu tun - und mit einem erzählerischen Überzeugungsgeschick, das die Zuschauer im Idealfall dazu bringt, für die Dauer eines Spielfilms oder einer Serien-Episode die Möglichkeit anderer Welten, Wesen und Wirklichkeiten zuzulassen: suspension of disbelief.

Auch in  "Shut Eye", einer Eigenproduktion des Streamingdienstes Hulu, geht es um Illusionisten - allerdings von einer Sorte, die mit dem Show-Zauber in Las Vegas nichts zu tun hat. Charlie Haverford, Protagonist der von Leslie Bohem ( "Steven Spielbergs Taken") erdachten Serie, soll in früheren Jahren mal ein begabter Showmagier gewesen sein: Inzwischen aber verdient er sein Geld im Mittelbau eines kleinkriminellen Wahrsagernetzwerks, das in Los Angeles die Leicht- und Gutgläubigen abzockt. Dort scheint es an jeder zweiten seiner schäbigen Ecken einen solchen psychic parlor zu geben, deren Angestellte hauptberuflich so tun, als ob: als ob sie wirklich hellsehen könnten; als ob sie nach dem Legen von Tarot-Karten oder dem Beschnüffeln von Gegenständen wirklich ahnen würden, was im Leben ihrer Kunden vorgeht. Make-believe als betrügerische Einnahmequelle: Man kennt das aus dem Astro-TV. Doch "Shut Eye" erzählt dann von einem wie Haverford, der plötzlich ins Grübeln gerät, ob er womöglich tatsächlich hellseherische Fähigkeiten besitzen könnte - und diese nicht nur vorgaukelt.

Keine Frage: Thema und Setting dieses Zehnteilers sind interessant, nicht nur, weil man vom Lowlife-Lotterleben halb gescheiterter Verbrecher im Gefolge der  "Sopranos" nie genug sehen kann, sondern auch, weil es kein schlechter Einfall ist, das Hellsehergewerbe mal nicht aus fallbezogener Ermittlerperspektive (à la  "The Mentalist") zu beleuchten, sondern als Charakter- und Familientragödie mit satirischen Untertönen. Doch so interessant und ambitioniert das auch ist: Zwischen perfekter Illusion und ungeschicktem Taschenspielertrick steht oft nur ein falscher Handgriff. Und in "Shut Eye" gibt es davon leider einige.

Die Besetzung ist im Prinzip toll: Bis in die Nebenrollen sieht man hier arrivierte Serienstars, als Bonus gibt es noch "Blue Velvet"-Diseuse Isabella Rossellini oben drauf. Haverford selbst wird vom begnadeten Mimik-Minimalisten Jeffrey Donovan verkörpert, dessen schwarzeneggeresk vorgeschobenen Unterkiefer man vor allem aus  "Burn Notice" kennt. Donovan spielt den Westentaschen-Wahrsager Charlie als routiniert erfolgreichen Vorstadtmittelständler: Kunden kommen, Kunden gehen, mal verabreicht er eine (Fake-)Tinktur, mal verhökert er überteuerten Rosenquarz, meist verkauft er das, was seine Klienten hören wollen, als genialen Ratschlag. Seine Ehefrau Linda (KaDee Strickland, Dr. Charlotte King aus  "Private Practice") ist als Hausfrau eindeutig unausgelastet und hat noch was vor. Nach Dienstschluss fährt Charlie durch die in sonnigen Pastellfarben leuchtende Suburbia von L. A. Er sammelt dann die "Abgaben" der von ihm als Mittelsmann gemanagten Sub-Hellseher ein, um deren Geld an den Boss des von einer Roma-Familie kontrollierten Betrügersyndikats weiterzureichen. Diesen Fonso Marks spielt Angus Sampson: Das ist ein netter Insider-Witz für Fans von  "Fargo", in dessen zweiter Staffel Sampson und Donovan als Gangsterbrüder Bear und Dodd Gerhardt zu sehen waren. Hier, in "Shut Eye", kommen sie sich darstellerisch in die Quere: Wo Donovan alles Expressive gekonnt ins fast Regungslose bannt, war Sampson wohl für die Karikatur gebucht. Er muss als Gangsterboss in Badehose am Pool Hof halten, zwischen seinen Zehen herumpulen und daran riechen, den Psychopathen raushängen lassen und von seiner Zigeunerehre schwadronieren. Nicht, dass er das nicht gut könnte, doch die Klischees, die hier zelebriert werden, müffeln: Dominiert wird Fonso nur von seiner mächtigen Mutter Rita, die Isabella Rossellini mit Pagenschnitt und spürbarer Freude am finsteren Spiel als schräge Grusel-Matriarchin auf den Bildschirm bringt. Als Charlies Schwester Sylvia, ebenfalls Hellseherin, einen Alleingang startet, wird sie vor das Familientribunal der Marks-Familie zitiert: Dort muss Sylvia einen  "Game of Thrones"-würdigen, rituellen walk of atonement absolvieren, in deren Verlauf sie von allen Anwesenden bespuckt wird, bis ihr Rita am Ende mit einem Messer das Familien-M in die Wange schnetzelt.

KaDee Strickland als Linda Haverford
KaDee Strickland als Linda Haverford

Das ist auf mehreren Ebenen eher unappetitlich; nicht nur wegen der expliziten Gewalt, vor der auch sonst nicht zurückgeschreckt wird, obwohl sie sich nicht gerade passgenau in die sonst eher sonnige, grenz-ironische Grundstimmung der Serie einfügt, sondern auch, weil hier unter beherztem Rückgriff auf antiziganistische Stereotypen wieder einmal Roma als Betrüger und Gewaltverbrecher porträtiert werden. Mag sein, dass Roma tatsächlich im kalifornischen Wahrsagerbusiness mitmischen; mag auch sein, dass die Marks-Familie im Verlauf der Serie über ihren Status als Cartoon-Schurken hinauswächst. Etwas zweifelhaft ist das alles trotzdem.

Während sich Charlie und die Marks-Familie schon bald als Antagonisten gegenüberstehen, strebt der Plot noch in diverse andere Richtungen: Als treibende Kraft erweist sich dafür Linda, die ihrem Gatten einflüstert, dass er zu Höherem berufen sei - zum Beispiel dazu, sich endlich von Fonso und Rita zu emanzipieren. "I'm done being someone's bitch!", muss Charlie denn auch prompt zustimmend maulen: Die Serie hat überhaupt einen Hang zur überdeutlichen Dialogzeile.

Als Mittel zum Zweck der beruflichen Emanzipation hat Linda die steinreiche Baulöwen-Gattin Nadine aus San Marino (Mel Harris, Hope Steadman aus  "Die besten Jahre") ausgemacht, deren Angst vor der eigenen Gutmütigkeit die Haverfords erst wecken und dann ausnutzen. Dann ist da noch Eduardo (David Zayas, Sgt. Batista aus  "Dexter"), ein zufriedener Kunde Charlies und obendrein Mafioso, der sich mehr oder weniger selbst zum Handlanger der Haverfords macht und missbillige Menschen schon mal in heißem Frittierfett exekutiert (auch das: keine appetitliche Szene). Oder die kleinkriminelle Hypnotiseurin Gina (Emmanuelle Chriqui aus "Leg dich nicht mit Zohan an" und  "Entourage"), die ins organisierte Wahrsagerbusiness einsteigen will und erst einmal mit Linda ins Bett geht (was wie nachträglich hinzugefügt wirkt). Charlies Sohn Nick hat die üblichen Teenieprobleme und muss zum Therapeuten (was wie aus anderen Familienserien herbeizitiert wirkt), Sonja Sohn (Det. Kima Greggs aus  "The Wire") spielt eine Polizistin, die Charlie auf die Schliche kommt, und Susan Misner (Sandra Beeman aus  "The Americans") betritt in der zweiten Folge die Bühne als Neurologin Dr. White, die sich alsbald um Charlie kümmert: Denn nachdem er eines Tages erst brutal verprügelt und kurz darauf gegen seinen Willen hypnotisiert wird, wird der Wahrsager immer wieder von Visionen geplagt, die bald darauf wahr zu werden scheinen. Kann Charlie jetzt also wirklich hellsehen? Ist der Betrüger am Ende keiner?

Im Magierjargon ist shut eye der Begriff für einen Trickzauberer, der so gut ist, dass er schließlich selbst davon überzeugt ist, ein "echter" Zauberer zu sein. Tatsächlich sind die mit dieser Frage einhergehenden Implikationen die spannendsten in dieser sonst leider sehr uneben geratenen Serie - und es ist noch nicht ersichtlich, ob Leslie Bohem diesem Thema den ihm gebührenden Raum geben wird oder ob sich die Serie zwischen ihren vielen Stilen und Handlungsfäden verzettelt. Momentan treffen hier die "Sopranos" auf  "Psych" und sogar auf David Lynch, während sich der darstellerische Reduktionismus Donovans mit dem überzeichneten Spiel von Sampson/Rossellini und dem taffen No-Nonsense von Strickland beißt. Jenseits dessen ist "Shut Eye" leidlich unterhaltsam und vor allem optisch sehr schick: Wie die Serie die wenig pittoresken Seiten von Los Angeles in (foto-)grafisch beeindruckenden Vorstadtansichten zum Leuchten bringt, das ist schon sehenswert, und der Vorspann beeindruckt als kunstvolle Miniatur der Alltagsabstraktion. Nur der Plot, der hakt. Zur Verzauberung reicht es so noch nicht.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Shut Eye".

Meine Wertung: 2.5/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: David Bukach/Hulu


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Sentinel2003 schrieb am 19.12.2016, 22.28 Uhr:
    Nur 2,5 Points?? Wow, das klingt nicht gut....