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TV-Kritik/Review: Westworld

In Westworld (leider) nichts Neues - von Marcus Kirzynowski
(11.10.2016)

Ein bisschen fühlt sich "Westworld" so an, als hätten die Macher irgendwas vergessen...
Ein bisschen fühlt sich "Westworld" so an, als hätten die Macher irgendwas vergessen...

Und täglich grüßt das Murmeltier... So kann man wohl das "Leben" der menschenähnlichen Androiden im futuristischen Freizeitpark  "Westworld" zusammenfassen. Denn egal, was ihnen im Laufe eines Tages zustößt, am nächsten Morgen wird ihre Programmierung einfach wieder auf Null gesetzt. Auch wenn sie erschossen wurden, wachen sie wieder auf, als wäre nichts geschehen; ihr Kurzzeitgedächtnis ist komplett gelöscht. Der Titel des Bill Murray-Films trifft aber auch auf den "Westworld"-Piloten selbst zu, denn manche Szenen bekommen wir Zuschauer innerhalb der rund 65 Minuten gleich mehrere Male (fast) identisch präsentiert. So beginnt die Neuauflage des gleichnamigen Filmklassikers von 1973 mit der Westernschönheit Dolores Abernathy (Evan Rachel Wood), die morgens nach dem Aufstehen ihren Vater grüßt, der vor dem Haus sitzt. An diesem Tag wird sie von einem schwarz gekleideten Fremden (Ed Harris) vergewaltigt werden und hautnah miterleben, wie ihr neuer Verehrer (James Marsden) erschossen wird. Trotzdem wird sie am nächsten Tag glücklich aufwachen und ihn genauso beginnen wie den vorherigen (nur mit einem ausgetauschten "Vater"). So ist es zumindest von den Programmierern vorgesehen. Irgendetwas scheint aber nicht mehr zu stimmen, denn Dolores reagiert teilweise seltsam, so als habe sie doch eine Ahnung davon, sich an bestimmte Erlebnisse nicht zu erinnern.

HBOs Science-Fiction-Serie "Westworld" ist eines jener TV-Projekte, die schon Jahre, bevor sie tatsächlich anlaufen, einen Riesenhype auslösen. Von manchen Serienfans und Kritikern wurde sie herbeigesehnt, als sei sie nicht nur die letzte Hoffnung des Premiumsenders, auch nach dem absehbaren Ende von  "Game of Thrones" noch in der ersten Liga der Serienanbieter mitspielen zu können. Sondern auch noch die größte Hoffnung im Qualitätsseriensegment des US-Fernsehens insgesamt. Seit HBO vor mehr als drei Jahren eine Pilotfolge in Auftrag gab, hielten immer neue Ankündigungen zur Besetzung, aber auch Verschiebungen des Starttermins die Gemeinde in Atem. Vielleicht kann so eine Serie nur enttäuschen, wenn man sie dann tatsächlich endlich sehen kann. Der Auftakt bietet jedenfalls kaum etwas von dem, womit man nach all den Vorschusslorbeeren rechnen konnte.

Lichtblick: Evan Rachel Wood als "Dolores Abernathy"
Lichtblick: Evan Rachel Wood als "Dolores Abernathy"

Sicher, der Pilot sieht sehr gut aus. Wie von HBO und bei einem Budget von geschätzt um die zehn Millionen Dollar auch nicht anders zu erwarten war, bekommen wir grandiose Landschaftspanoramen, eine detailgetreue Westernstadt und handwerklich perfekt gefilmte und geschnittene Shootouts zu sehen. Leider wirkt der streckenweise quälend langweilige Serienauftakt aber so, als hätte man bei all diesen Schauwerten und den großen Namen auf der Castliste schlicht vergessen, auch etwas Geld und Zeit in die Drehbuchentwicklung zu stecken. Bei der Beurteilung der Qualitäten von Jonathan Nolan, der als Showrunner fungiert und bei der ersten Folge auch für Regie und Drehbuch (gemeinsam mit seiner Gattin Lisa Joy) verantwortlich zeichnet, scheiden sich ohnehin die Geister. Ich gehöre eh nicht zu denen, die seine für Bruder Christopher geschriebenen Filmdrehbücher, etwa für "The Dark Knight" und dessen Fortsetzung, für genial halten. Bei der Adaption des alten Michael Crichton-Films hat er aber leider nicht mehr geleistet als Dienst nach Vorschrift. Bot der Originalfilm mit seinen durchdrehenden Robotern etwas damals noch ganz Neues, hat man Filme und Serien über Künstliche Intelligenzen, die mit der Zeit ein eigenes Bewusstsein entwickeln, inzwischen schon zur Genüge gesehen - in jüngerer Zeit zum Beispiel in der Neuauflage von  "Battlestar Galactica". Da reicht es einfach nicht mehr, hinlänglich bekannte Topoi aneinander zu reihen. Man müsste dem Thema auch neue Elemente hinzufügen oder ihm etwas Originelles abgewinnen. In den 65 Minuten des "Westworld"-Piloten findet sich aber leider kein einziger neuer Gedanke.

Das Problem der künstlich geschaffenen Humanoiden, die irgendwann so intelligent werden, dass sie die Schnauze voll davon haben, nur den Menschen als Arbeits- oder Sexsklaven zu dienen, hat etwa die schwedische SF-Serie  "Real Humans" (oder deren englischsprachiges Remake  "Humans") schon hervorragend durchdekliniert. Zudem bauen Nolan und Joy diese Storyline so langsam auf, dass sie auch am Ende von Folge 2 noch nicht mal richtig in Gang gekommen ist. Stattdessen verschwenden sie einen Großteil beider Episoden auf generische Westernhandlungen, die den ausgetretenen Klischees von hilfsbedürftigen Schönheiten, großmäuligen Outlaws und mutigen Revolverhelden ebenfalls nichts Neues hinzufügen. Wie das Verhältnis der quasi Westernwelt-immanenten Handlungsstränge und der übergeordneten Virtual-Reality-gegen-echte-Welt-Geschichte über die gesamte Serienlaufzeit aussehen soll, ist weiterhin völlig unklar. Auch sonst haben die Autoren fragwürdige Entscheidungen getroffen. Warum etwa die Ankunft zweier Besucher in dem fiktiven Freizeitpark inklusive Erklärungen, wie dieser eigentlich funktioniert - klassische Expositionsarbeit einer neuen Serie - erst in der zweiten Episode erfolgt, ist nicht nachzuvollziehen.

Aus der Filmvorlage haben die Serienschöpfer im Grunde nur das Setting übernommen (und auch das nicht einmal komplett, denn bei Michael Crichton gab es in dem Freizeitpark neben der Westworld auch noch einen Mittelalter- und einen Altes-Rom-Bereich), natürlich an heutige Erzählmuster angepasst. So sind die Androiden keine tumben Roboter mehr, die hölzern vorgegebene Handlungsschritte abarbeiten, sondern flexiblere Wesen, deren künstliche Intelligenz einen Grad erreicht hat, der erlaubt, sich überhaupt ihrer Selbst bewusst werden zu können. Die Replikanten aus "Blade Runner" lassen hier ebenso grüßen wie die Zylonen. Allzu logisch ist dieses modernisierte Worldbuilding aber nicht ausgefallen: Warum immer viel mehr Androiden gleichzeitig in den Westernszenarien zu sehen sind als Besucher, obwohl angeblich 14.000 Gäste gleichzeitig im Park sind, bleibt unklar. Ebenso wirkt es aus ökonomischer Sicht völlig unplausibel, dass die Androiden einen Großteil der Zeit nur untereinander agieren, auch wenn gar kein Besucher in der Nähe ist (die gelieferte Begründung dafür erscheint eher von den Autoren vorgeschoben, um ihr eigenes Storytelling zu rechtfertigen). Im Vergleich etwa zur Neuauflage von "Battlestar Galactica" folgt hier das ganze Konzept noch zu sehr ausgetretenen Erzählpfaden, um über die Schauwerte hinaus fesseln zu können.

Auch die zahlreichen Stars, die man für die Hauptrollen gewinnen konnte, sind bisher verschenkt. Was weniger an den Schauspielern selbst liegt, als daran, dass die Drehbücher ihnen kaum etwas zu tun geben - mit Ausnahme von Evan Rachel Wood, der Entdeckung dieser Serie. Sie lässt immer erahnen, dass hinter der glatt-schönen Oberfläche ihrer Figur tiefe Abgründe lauern. Hingegen kommt Anthony Hopkins - wohl der größte Name auf der Castliste - nicht über seinen üblichen nachdenklich-melancholischen Blick hinaus. Auch Ed Harris - der hier quasi den Yul Brynner gibt - bleibt im Stereotyp des gewissenlosen Gunslinger stecken. Insgesamt machen die ersten Folgen einen dermaßen uninspirierten Eindruck, dass sich die These verfestigt, HBO habe seine kreative Führerschaft im US-Serienbusiness längst an andere Anbieter verloren.


Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie.

Meine Wertung: 3/5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: HBO


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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Leserkommentare

  • TheBlutsvente schrieb am 29.07.2020, 11.36 Uhr:
    3 Staffeln später....
    Staffel 1: Mir erging es ganz genau so wie Marcus. Mit dem Wissen um die verschiedenen Zeitebenen werde ich nochmal einen Anlauf machen und schauen, ob das meine Wahrnehmung verbessert. Tatsächlich war ich - als Fan der 70'er Filme - schwer enttäuscht, mit wie wenig Tempo und wirklich erkennbare Richtung diese "Neuauflage" erzählt wird. Wenn also das Ziel nicht halbwegs klar (eher das genaue Gegenteil - was wohl gewünscht ist) ist, wie soll man dann aber mitfiebern...?