Deutsche TV-Premiere: 08.12.2020 (NDR)
Es ist Nacht in Niedersachsen. Am Rande eines dunklen Waldes, nur wenige Schritte von den rasenden Autos auf einer Landstraße entfernt, stehen ausrangierte Wohnmobile. Farbige Lichterketten und bunte Herzen blinken in stoischem Rhythmus. Im Innern warten Frauen darauf, dass ein Auto anhält und ein Kunde zu ihnen in den Bus steigt. Drei Jahre haben die Regisseurin Elke Margarete Lehrenkrauss und ihr Kameramann Christoph Rohrscheidt hier verbracht, um Geschichten aus diesem Milieu bildstark zu erzählen. Und so treffen die Zuschauer*innen in dem preisgekröntem Festivalerfolg "Lovemobil" auf zwei Frauen aus Bulgarien und Nigeria. Beide warten darauf, genügend Geld beiseite legen zu können, um ihre Familie in ihren Heimatländern zu unterstützen. Mit den beiden Frauen erleben die Zuschauer*innen hautnah, wie es sich anfühlt, in einem Fahrzeug gefangen zu sein, das nicht mehr anspringt. Im ständigen Zwiespalt zu stehen, zwischen dem Wunsch, abzuhauen und der Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Die Angst, nie wieder ein normales Leben führen zu können und der doch immer wiederkehrenden leisen Hoffnung, dass vielleicht eines Tages jemand kommt, der sie da rausholt. Sie sind hier, freiwillig unfreiwillig, geparkt in einer Zwischenwelt. Durch den Film führt auch Uschi, eine in die Jahre gekommene "Ehemalige", die die Seiten gewechselt hat und nun die Wohnwagen an die jungen Frauen vermietet. Uschi raucht viel und lebt mit ihren drei Chihuahuas in einem ausgebauten Wohnwagen am Rande eines Dorfes. Täglich kassiert sie mit ihren ständig wechselnden künstlichen Fingernägeln und in ihrer extravaganten Kleidung kompromisslos ab. Und bei alldem führt sie die Zuschauer*innen auch durch über 40 Jahre Geschichte der Prostitution in der Bundesrepublik und der Suche nach einem Glück, welches am Ende für sie selber in der Einsamkeit endete. Ist sie eine Warnung, ein Zeichen dafür, wie die Mädchen enden könnten, wenn sie weiterhin zusehen, wie die Zeit an ihnen vorbeizieht? "Lovemobil" ist in seiner Tiefe kein Film über Prostitution, sondern ein Film über das Dead End eines globalisierten Kapitalismus und jene, die er am härtesten trifft und die mit allen Mitteln ums Überleben und eine Zukunft kämpfen. "Lovemobil" wurde mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis 2020 ausgezeichnet.
(NDR)
Am 22. März distanzierte sich der NDR von dem Film, da dieser "in weiten Strecken Szenen" zeige, "die nicht authentisch" seien. Recherchen der NDR Redaktion "STRG_F" hatten ergeben, dass der Film zwar auf Basis von langjährigen Recherchen der Autorin entstanden sein soll, zentrale Protagonist*innen des Films aber nicht ihre persönlichen Erfahrungen schilderten, sondern eine Rolle spielten. Zahlreiche Situationen seien nachgestellt oder inszeniert.
Cast & Crew
- Regie: Elke Lehrenkrauss
- Drehbuch: Elke Lehrenkrauss
- Musik: David Hermann, Dascha Dauenhauer, Thomas Resch
- Kamera: Christoph Rohrscheidt
- Schnitt: Elke Lehrenkrauss, Sven Kulik
News & Meldungen
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