Bis ans Ende der Welt

Um seiner blinden Frau das Sehen zu ermöglichen, erfindet ein Wissenschaftler eine Technik, die vom Gehirn eines Sehenden gespeicherten Bilder in das Sehzentrum eines Blinden zu senden. Sein Sohn macht sich auf eine Reise um die Welt, um die Stationen des Lebens seiner Mutter für sie aufzuzeichnen. Im Schlepptau eine in ihn verliebte Französin, die wiederum von einem Detektiv und einem Schriftsteller verfolgt wird, der ihre Abenteuer festhält. 1990 gedreht, spielt Wenders Film in der nahen Zukunft von 1999: Auf der Erde herrscht Endzeitstimmung, da die Menschheit unmittelbar von einer radioaktiven Apokalypse bedroht ist. Dennoch lassen sich weder Dr. Farber (Max von Sydow) noch sein Sohn Sam (William Hurt) davon abhalten, ihrer blinden Frau und Mutter (Jeanne Moreau) noch einmal zum Sehen zu verhelfen. Sams Reise um die Welt ist eine Bilderjagd, bei der sich nicht nur die in Sam verliebte Claire (Solveig Dommartin) und der Schriftsteller Eugene (Sam Neill) an seine Fersen heften, sondern auch noch ein Detektiv und ein paar obskure amerikanische Agenten eigene Interessen verfolgen. Die universale Bildersuche wird zu einem gigantischen Reiseabenteuer mit vielen Wendungen, das sich aus den Versatzstücken der verschiedensten Filmgenres zusammensetzt: Ein Roadmovie als Bestandsaufnahme der audiovisuellen Kultur. Frustriert von der Verstümmelung seines von den Verleihern für die Kinoauswertung auf 179 Minuten herunter gekürzten "Opus Magnum" stellte Wim Wenders zwei Jahre später einen Director's Cut her, der mit der wahrhaft epischen Länge von knapp fünf Stunden Kinolaufzeit dem Anspruch des Regisseurs auf eine umfassende Reflexion über die Moral der Bilder und des Bildermachens gerecht wird. Wenders reagiert auf die Bilderflut der visuellen Kultur mit eigenen, von Kameramann Robby Müller eindrucksvoll hergestellten Bildern, die alle Aspekte des modernen Umgangs mit Bildern und seiner Folgen beleuchten will. Dass dabei auch so etwas wie eine Allegorie auf das Kino entsteht, die Traumfabrik und Bildermaschine des 20. Jahrhunderts, ist natürlich kein Zufall, sondern Programm. Das Ergebnis ist in jeder Beziehung ein Film der Superlative: Mit einer Vorbereitungszeit von 14 Jahren und einer Drehzeit von über einem Jahr in zehn Ländern auf vier Kontinenten, zehn Millionen Dollar Produktionskosten, internationaler Besetzung und einem Soundtrack, der mit Berühmtheiten wie REM, Talking Heads, U2, Depeche Mode und Nick Cave and the Bad Seeds beeindruckt. Das ZDF zeigt "Bis ans Ende der Welt" zum 70. Geburtstag des Regisseurs. Die Hommage an Wim Wenders endet am 15.8. mit "Der amerikanische Freund".