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In ihrem Dokumentarfilm beleuchten Grimme-Preisträger Lutz Hachmeister und Co-Regisseur Mathias von der Heide zum ersten Mal die Gesamtgeschichte der "Freien Deutschen Jugend", dieser merkwürdigen Institution, deren Insignien das blaue Hemd und die aufgehende Sonne waren. Kaum eine andere Organisation hat die Bürger der ehemaligen DDR so miteinander verbunden wie die Freie Deutsche Jugend. Der FDJ-Mitgliedschaft konnte man sich kaum entziehen - und wenn doch, dann in der Regel nur mit negativen Konsequenzen für Biografie und Karriere. In der FDJ lernte der gesamte Führungsnachwuchs der DDR "Kaderpolitik", auch die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt es für ratsam, sich dort aktiv zu engagieren. So manches FDJ-Kollektiv bot Spaß, Anklänge von Popkultur und Auslandsreisen. Auf der anderen Seite wurde auch paramilitärisch gedrillt, zu öden Aufmärschen und Fahnenappellen aufgerufen und mit "Gesinnungsfreunden" im Westen kooperiert - so mit der damaligen "konkret"-Redakteurin Ulrike Meinhof. In einem besonderen Kapitel des Films beschäftigen sich Hachmeister und von der Heide auch mit der eher unbekannten Geschichte der West-FDJ, die in der Adenauer-Zeit schon 1951 verboten wurde. Der Film schildert die Geschichte des sozialistischen Jugendverbandes FDJ bis zum Niedergang der DDR. Ehemalige prominente und weniger prominente Blauhemden aller FDJ-Generationen erzählen ihre zumeist zwiespältigen Erlebnisse. Für die mittlere DDR-Generation steht Lothar Bisky, der 1959 nach dem Abitur auf eigene Faust in die DDR übersiedelte. Die heutige Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann arbeitete als Geschichtslehrerin in der FDJ-Jugendhochschule "Wilhelm Pieck", die auf dem Gelände der ehemaligen Goebbels-Villa am Bogensee etabliert wurde. Dort studierte auch der aus dem Westen stammende Jungkommunist und heutige "Stern"-Korrespondent Adrian Geiges. Die Ostpunks Kai-Uwe Kohlschmidt und Chris Hinze von der Band "Sandow" und Christian "Flake" Lorenz von "Feeling B", der heute bei "Rammstein" spielt, erklären, wie man als DDR-Jugendlicher rebellieren und abseits der staatlich vorgegebenen Normen leben konnte. Das alltägliche - im Nachhinein amüsante - Abducken und Durchmogeln beschreiben die Schauspielerinnen Anja Kling und Vivian Hanjohr. Dieser Film wurde wegen seiner "Staatsverdrossenheit" nach der Premiere "totgeschwiegen", wie sich der Regisseur Andreas Dresen, seinerzeit Student an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf", erinnert. Dresen selbst bekam wegen seines FDJ-Auftragsfilmes "Jenseits von Klein Wanzleben" Probleme mit der Verbandsführung. Der ironisch gehaltene Studentenfilm über eine "Brigade der Freundschaft" in Simbabwe konnte nur durch Protektion des Hochschulrektors, damals Lothar Bisky, fertig gestellt werden.
(rbb)