Typisch!

Pizza und Pasta sucht man bei "Lübecks ältestem Italiener" vergebens auf der Speisekarte. Stattdessen gibt es Aal in Gelee, Brathering und Sauerfleisch. Als Piero Basteri aus Massa in der Toskana 1973 das Fährhaus Rothenhusen übernommen hat, musste er die Zubereitung von Lübscher Hausmannskost erst einmal von seiner Schwiegermutter lernen. Diese NDR Reportage begleitet Piero und seine Frau Gisela in ihrer letzten Saison als Pächter des beliebten Ausflugslokals. Das Fährhaus liegt auf einer Insel an der Mündung der Wakenitz in den Ratzeburger See. Genau hier begann bis 1990 auf der anderen Seite der Wakenitz die DDR. Acht Flüchtlinge haben die Basteris mit Heißgetränk und Decken bewirtet. Schlagzeilen wie "Am anderen Ufer liegt die Freiheit!" lockten die Besucher in Scharen zum entlegenen Fährhaus. Doch die Zeiten der mit Gästen voll besetzten Reisebusse sind längst vorbei. Die Insellage macht Piero eher zu schaffen: Kein Lkw kommt über die kleine Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet. Jedes Bierfass muss per Sackkarre aufwändig herübergebracht werden. Dabei soll der Rubel kurz vor Pieros Ruhestand möglichst noch einmal so richtig rollen. An Haus und Garten in der Toskana ist viel zu renovieren. Doch als zu Saisonbeginn die ersten Fähren aus Lübeck und Ratzeburg ankommen, sind zwar Gäste an Bord, nur will in Rothenhusen niemand aussteigen und essen. Obwohl er schon seit vier Jahren in Rente sein könnte, überlegt Piero jetzt plötzlich, noch ein Jahr zu verlängern. In der Saison wohnen die Basteris in dem reetgedeckten Fachwerkhaus auf der einsamen Insel. "Mit Millionärsblick auf den See", meint Gisela. "Mama Mia, ist das idyllisch, das schönste Grundstück von ganz Lübeck", schwärmt Piero. 1967 hat Piero als Gastarbeiter in der Elektrowerkstatt des Lübecker Drägerwerks "seine" Gisela kennengelernt. Ihre Tochter Gina hilft regelmäßig hinterm Tresen aus. Der Abschied von Rothenhusen nach 42 Jahren "bei Piero" fällt allen mehr als schwer. Und dann gibt es plötzlich auch noch Streit in der Lübecker Lokalpolitik über die Neuausschreibung des Pachtvertrages. Schlechte Schlagzeilen, ausgerechnet in Pieros letzter Saison.