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TV-Kritik/Review: Graceland
(07.07.2013)
Für den US-Kabelsender USA angekurbelt hat die Serie der Autor und Produzent Jeff Eastin, Schöpfer der Crime-Dramedy
Dreh- und Angelfigur der Serie ist ein Grünschnabel. Mike Warren (Aaron Tveit,
Und seine den Main Cast stellenden Mitbewohner sind ihm zunächst nicht grün. Der Zollbehörden-Cop Jakes (Brandon Jay McLaren,
Fürwahr, eine sympathische Riege ist das nicht. Und das ist für die Serie ein Problem: Denn was geht den Zuschauer die Beziehungsdynamik von Figuren an, deren gemeinsames Merkmal ihre zusammengecastete Model-Schönheit ist, die sie beim halbnackten Durchschreiten einer bemerkenswert geschmacklos mit allerlei Luxus-Dekoramsch zugerümpelten Strandvilla spazierenführen? Figuren, die sich in akribisch auf relaxt getexteten Spanglish-Dialogen abgestandene Neckereien an den Kopf werfen? Deren Relaxtheit auch dadurch bebildert wird, dass sie in jeder Folge mehrmals beim kumpeligen Flaschbiertrinken abgelichtet werden - ohne dass dies ihren fettfreien Sixpack-Silhouetten je etwas anhaben könnte? Vielleicht greift der Gewöhnungseffekt, aber: Warm wird man mit dieser Mixtur aus Model-WG und Big-Brother-Strandcontainer so schnell jedenfalls nicht.
Problematisch ist aber auch die Hauptfigur. Mike Warren steht morgens in aller Herrgottsfrühe auf, trainiert artig mit dem Hand-Expander und hört nach dem Vollwertfrühstück beim Strandlauf seinen Spanischkursus auf dem iPod. Was für ein Langweiler! Was würden Don Draper, Walter White oder gar Dr. House dazu sagen? Der ausnehmend attraktive Aaron Tveit bewältigt den reizlosen Part mit luftiger Dressman-Smartness akzeptabel und bleibt doch unter lauter seichten Figuren die seichteste: Schlimmer als ihre Lasterlosigkeit ist der streberhafte Ehrgeiz der Figur. In den ersten Folgen wird er von Mentor Paul zu mehreren lebensgefährlichen Undercover-Aktionen (völlig wurscht, worum es sich dabei im Einzelnen handelt) mitgenommen, begeht dort jeweils einen scheinbar letalen Fehler, nur um diesen dann mit einer kühnen Trickserei ins erfolgreiche Gegenteil zu verkehren - und in der Gunst des Älteren emporzusteigen. Das wäre in seiner Vorhersehbarkeit unendlich öde, wenn die Autoren an den Schluss des Pilotfilms nicht so etwas wie eine Enthüllung gesetzt hätten - mit der wir hier den Aspekten etwas näherkommen, die aus "Graceland" dann doch noch eine wenigstens rudimentär interessante Crime-Serie machen.
Mike nämlich ist von seinem Academy-Chef (Courtney B. Vance, als Spion nur echt mit Lederhandschuhen) auf Paul Briggs angesetzt worden, dem die FBI-Führungsetage offenbar misstraut. Mike soll also seinen WG-Kumpanen, Quasi-Vorgesetzten und Bald-schon-Buddy ausspionieren. Damit ist ein übergeordneter Handlungsbogen entworfen, der der zu Beginn schlaffen Figurendynamik nur dienlich sein kann. Mit diesem Twist, der so neu natürlich nicht ist, wird auch das eigentliche Thema dieses Undercover-Krimis deutlich: Es geht natürlich, wie auch in Genre-Hits der Marke "Donnie Brasco" oder "Der Einsatz" (beide mit Al Pacino), ums Vormachen, So-Tun-Als-Ob, ums Schauspielen. Die Agenten finden sich stets in Situationen wieder, in denen sie mit zurechtgelogenen Fake-Biografien agieren müssen, mal einen Dealer spielen, mal einen Süchtigen, mal einen Disco-Lover, und einmal sogar einen Schauspieler (wir sind schließlich in L. A.). Die Kernkompetenz des verdeckten Ermittlers ist nun einmal die Verstellung, und so mag der künftige Reiz dieser Serie im Ausmaß der fliegenden Identitätswechsel bestehen. Die Tatsache, dass Mike sich gleichsam als Undercover-Undercover-Agent auch vor den Kollegen verstellt, er als Schauspieler mithin auch das Schauspielen spielt, erhöht den Reiz noch: Diese Art Matrjoschka-Dramaturgie, die aus jeder Deckung eine weitere hervorzaubert, ist das Pfund, mit dem das ganze Genre wuchert.
Allerdings hapert es zu Beginn an der Glaubwürdigkeit. Die Schwerverbrecher, allesamt mit heftigem Akzent das R rrrrollende Latinos, Koreaner und Russen, nehmen Jungspund Mike nämlich hoffnungslos naiv jeden Part ab. Wie toll der Junge das macht, müssen die Kollegen stets mit Sätzen wie "You played your part like Brando, man!" bekräftigen, damit auch hirntote Zuschauer begreifen, was für ein dolles Ding da gerade gedreht wurde - auch wenn's gar nicht so doll war. Spätestens wenn Silberblick-Charlie mit provinzbühnendicker Augenringschminke als Fake-Junkie vom verdeckten Drogeneinsatz heimkehrt, kommt peinliche Fremdschäm-Atmosphäre auf, und selbst der wohlmeinendste Betrachter denkt dann sehnsuchtsvoll an
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Graceland".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: USA Network
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