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TV-Kritik/Review: Manhattan
(29.09.2014)
Das "Manhattan Project" war ein berüchtigtes Forschungsprojekt der US-Armee, das - tief in der Wüste von New Mexico versteckt - die Entwicklung der Atombombe vorantrieb. Unter der wissenschaftlichen Leitung des Physikers J. Robert Oppenheimer und unter strengster Geheimhaltung lebten Forscher, Soldaten und ihre Familien ab 1942 in einer von der Außenwelt abgeriegelten Kleinstadt - ein Mikrokosmos, der als Spielort einer Dramaserie natürlich hervorragend taugt.
Das sah auch Sam Shaw so, ein Neuling unter den Serienautoren, der zuletzt immerhin drei Episoden des gefeierten Forscherdramas
Bis auf die Figur Oppenheimer selbst (entrückt: Daniel London, "Old Joy") ist das Personal fiktiv. In der Pilotfolge wird es erst einmal in Gruppen aufgeteilt: Auf der einen Seite - jener, mit der wir Zuschauer uns identifizieren sollen - steht Dr. Frank Winter im Zentrum (John Benjamin Hickey,
Winter arbeitet mit einem in bewährter Weise zusammengestellten Team gegensätzlich gezeichneter Charaktere, wie es so oder ähnlich auch auf jeder Serien-Polizeistation, -Raumschiffbrücke oder in jedem Serien-Krankenhaus anzutreffen sein könnte: Dem versnobten, ambitionierten Briten Crosley (Harry Lloyd, der die Nase hier ebenso hoch trägt wie zuletzt als Viserys Targaryen in
Auf der anderen Seite steht als Antagonist schnell Dr. Reed Akley (David Harbour,
Isaaks entpuppt sich schnell als ambivalenteste Figur, als Grenzgänger zwischen den Teams (ein möglicher Überläufer?), nicht nur, weil er im älteren Winter eine Respektsperson erkennt, sondern auch, weil er inoffiziell mit dessen Team in Berührung kommt und gleich mehreren möglichen love interests begegnet: Helen zum Beispiel, und, womöglich, Franks Teenie-Tochter Callie (Alexia Fast).
Womit wir bei der dritten Gruppe wären, die zwischen den Teams und den überall herumschwirrenden Soldaten Kontur gewinnt: den Forscherfamilien, vor allem den Ehefrauen. Winters Gattin Liza ist selbst Wissenschaftlerin und wird als lebenskluge Mittvierzigerin von der wie üblich sehenswerten Britin Olivia Williams ("Rushmore") verkörpert. Jünger und vom Umzug überfordert ist Isaaks' Frau Abby (Rachel Brosnahan,
Eine Serie, die als period piece in den 1940er Jahren spielt, muss Wert auf Kostüme, Frisuren und Dekors legen. "Manhattan" tut dies vorblidlich. Es dürfte allerdings klar sein, dass eine so stark zeitgeschichtlich orientierte Produktion, die sich mit (männlich dominierten) Konkurrenzsituationen und Kompetenzgerangel befasst, an Matthew Weiners
Und obwohl "Manhattan" inszenatorisch einen durchaus überzeugenden Eindruck macht (die ersten beiden, schön dahinfließenden Episoden inszenierte Produzent und
Während "Mad Men" vom unaufhaltsamen Macht- und Bedeutungsverlust des weißen, westlichen Manns erzählt, ist der Glaube an die männliche Autorität in "Manhattan", trotz Krieg und Krise, im Kern noch intakt. Doch Frank Winter erweist sich bis dato als wenig taugliche Zentralfigur. Nicht etwa, weil Hickey ein schlechter Schauspieler wäre, sondern weil er Winter bislang nur als grimmigen, schlecht gelaunten, wenig charismatischen Maniker zeichnen darf, um den herum der Ton (buchstäblich) dumpf wird - ein Mann, dem zuzusehen nicht eben faszinierend ist.
Gewiss, es gibt sehr gute Szenen. Die beste von ihnen ist vielleicht das Finale der insgesamt sehr gemächlich voranschreitenden Pilotfolge, in dem Winter aus dem Off lange mit sich selber hadert und erst nach einem Kameraschwenk offenbar wird, dass er seine Gedanken mit dem mexikanischen Hausmädchen teilt - das kein Wort Englisch versteht. Dem gegenüber stehen leider arg klischeehafte Sequenzen und sogar ärgerliche Simplifizierungen, die hart an der Parodie segeln: Männer, die auf Formeln starren. Da muss der geniale Isaaks etwa nur mal eben zwei Sekunden auf eine mit mathematischen Formeln vollgekritzelte Tafel blicken, um den Kern des Gekritzels sofort erkennen: "Sie entwickeln eine Atombombe!" Oder: Weil Liza eine Botanikerin ist, muss sie am Küchentisch Chrysanthemen klassifizieren und im Dialog in florale Gleichnisse flüchten. Oder: Ein als Spion verdächtigter Forscher aus Winters Team wird einem brutalen Verhör unterzogen, in dessen Inszenierung trotz des klaren Bezugs auf Guantanamo und Abu Ghureib auf sattsam bekannte Stereotype zurückgegriffen wird - inklusive des freundlich sein Sandwich kauenden, katzenliebenden Brutalo-Verhörers.
Diese Makel beeinträchtigen die Freude, die man an "Manhattan" sonst definitiv haben könnte. Denn im Prinzip hat die Serie das Potenzial, auf klaustrophobisch kleinem Raum sehr mitreißend von den Wechselbeziehungen von Politik und Privatleben, Triumph und Scheitern zu erzählen. Und die nötige tragische Fallhöhe hat sie sowieso: Die Weltkatastrophe von Hiroshima und Nagasaki schwebt schließlich von der ersten Sekunde an über dem gesamten Geschehen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie.
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Lionsgate TV / WGN America
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