Deutsche TV-Premiere: 01.06.2007 (SWR Fernsehen)
Wolf Biermann hat wie kein anderer politischer Autor deutsch-deutsche Geschichte geschrieben. 1976 wurde der unbotmäßige Liederdichter nach seinem legendären "Kölner Konzert" aus seiner Wahlheimat DDR ausgebürgert, wo er zwölf Jahre zuvor bereits mit einem Auftrittsverbot belegt worden war. 1953 suchte das Kind einer Hamburger Kommunistenfamilie im SED-Staat sein sozialistisches Vaterland. Sein eigener Vater war als kommunistischer Widerstandskämpfer in den dreißiger Jahren verhaftet und als Jude in Auschwitz ermordet worden. Wolf Biermann geriet in der DDR zunehmend in Konflikt mit den herrschenden Parteibonzen, bis er 1965 verboten wurde. Neben dem Philosophen Robert Havemann zählte Wolf Biermann dort zu den berühmtesten Dissidenten. Seine Ausbürgerung zog eine in der DDR nie da gewesene Protestwelle nach sich. Ein Exodus prominenter Künstler war die Folge, von der sich die DDR nie mehr erholte. Nach seiner Ausbürgerung zog Wolf Biermann wieder nach Hamburg, pendelte zeitweise zu seinem zweiten Wohnsitz in Paris und mischte sich weiter munter ein "in seine eigenen politischen Angelegenheiten". Er bezog mit seinen Liedern und Essays weiterhin unbequeme Positionen und stieß Debatten an - zum Golfkrieg etwa, dem er in den 90er Jahren wohlwollend gegenüberstand. Noch immer polarisiert er mit seinen Meinungen und trägt in Konzerten mit unverwechselbarem Gestus seine politisch-persönlichen Lieder vor. Seine neuesten Arbeiten sind ihm dabei wichtiger als die alten linken Klassiker, die jeder kritische Linke in den Siebzigern vor sich hin pfiff. Wolf Biermann hat sich verändert, gemäß seinem Motto: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." Aus dem idealistischen Weltverbesserer ist ein hanseatischer Weltbürger geworden. Der Dichter hat sich mit fortschreitendem Alter musikalisch und dichterisch weiterentwickelt, und sich auch mit Übersetzungen von Klassikern wie Shakespeare und Bob Dylan einen Namen gemacht. Mit demselben revolutionären Elan von einst geht er seiner Arbeit nach, auch wenn er dem Kommunismus längst abgeschworen hat. Alles andere als abgeklärt setzt er weiter auf Aufklärung, bezieht immer noch, wie sein Vorläufer Heinrich Heine, Posten im "Freiheitskrieg der Menschheit". Am 15. November wird Wolf Biermann 80 Jahre alt und das Datum seiner Ausbürgerung jährt sich zum 40. Mal. Der Film von Trude Trunk und Andreas Öhler zeichnet ein einfühlsames poetisches Portrait des Dichters im Siebzigsten Jahr, das einen erstaunlich offenen Einblick in die heutige Lebenswelt Biermanns gewährt. Das Team begleitet den Liedermacher in Hamburg auf seiner Suche nach den verschütteten Wurzeln einer tragischen Familiengeschichte, ist Gast in seinem Arbeitszimmer und im Kreise seiner Familie und folgt ihm zu Konzerten ins In- und Ausland und in sein katalanisches Sommerdomizil. Selten gab der Dichter in einer vergleichbar eindringlichen Weise über sich Auskunft: Freund oder Feind - alle, die glauben ihren Biermann zu kennen, sollten sich auf Überraschungen gefasst machen.
(SWR)
Cast & Crew
- Drehbuch: Andreas Öhler, Trude Trunk