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TV-Kritik/Review: "Fellow Travelers": Als schwule Beamte zu Staatsfeinden erklärt wurden
(27.10.2023)
Einmal trifft sich die Beamtin Mary Johnson (Erin Neufer) hektisch und nervös im Treppenhaus ihres Ministeriums mit ihrer Freundin. Auf keinen Fall dürfen die beiden Frauen zusammen, in ein intimes Gespräch verwickelt, von ihren Arbeitskollegen gesehen werden - denn homosexuelle Mitarbeitende sind ins Visier von Senator McCarthy und seinem Ausschuss geraten. Nach den Kommunisten gelten sie als neue "innere Feinde", denen gesellschafts- und staatszersetzende Umtriebe unterstellt werden.
Es war ein absurdes soziales Klima, das die USA in den 1950er Jahren beherrschte, befeuert durch einen fundamentalistischen Politiker und dessen Gefolgsleute. Der Senatsunterausschuss, den der Republikaner Joseph McCartney leitete, lud unter anderen Politiker, Wissenschaftler und Staatsbedienstete vor, denen vorgeworfen wurde, Kommunisten zu sein und mit dem Systemfeind, der Sowjetunion, zu sympathisieren respektive für deren Sache zu arbeiten. Viele verloren ihre Jobs. Dass diese absurde moderne Hexenjagd aber eben nicht bei vermeintlichen Kommunisten aufhörte, sondern auch gesellschaftliche Minderheiten wie Homosexuelle aus dem öffentlichen Dienst entfernen wollte, zeigt die Miniserie
Etwa drei Jahrzehnte vorher ist Hawk ein aufstrebender Mitarbeiter im Außenministerium. Seine gewinnende Art, sein glattes Äußeres und seine Vergangenheit als Soldat im Zweiten Weltkrieg machen ihn zum Erfolgstypen. Kaum jemand aus dem Kollegenkreis ahnt indes, dass er seine Abende regelmäßig mit One-Night-Stands mit anderen Männern verbringt, die er in Schwulenbars aufreißt.
Mehr als schneller, harter Sex ist nicht drin, denn eine echte Beziehung könnte seine Karriere wie seine Reputation gefährden. Denn nicht nur sind homosexuelle Kontakte allgemein noch ein gesellschaftliches Tabu, sondern Senator McCarthy (Chris Bauer kaum wiedererkennbar in seiner Maske) hat zudem gerade Staatsbedienstete mit dieser sexuellen Orientierung als potentielle Verbündete der Kommunisten ausgemacht, eben jene titelgebenden fellow travelers (wörtlich etwa: Weggefährten). Als schwul oder lesbisch enttarnte Mitarbeitende müssten deshalb sofort aus ihren Positionen entfernt werden.
Keine guten Vorzeichen also für eine sich entwickelnde Liebe, nachdem Hawk den ebenfalls in der Politbranche beschäftigten Tim Laughlin kennengelernt hat. Der ist gläubiger Katholik, geißelt sich selbst mit religiös begründeten Vorwürfen hinsichtlich seiner Begierden und seines Lebenswandels. Aber er will dennoch bald mehr von seinem Liebhaber, nämlich eine "richtige" Beziehung mit gemeinsamen Abendessen und Freunden, nicht nur schnellen Sex im Hotelzimmer. Doch der slimme Hawk lehnt das ab. Wie ihr Leben anders aussehen könnte, sieht Tim zum erstenmal, als er bei einer Party seiner Kollegin Mary und von deren Freundin eingeladen ist. Die Frauen leben zusammen - wenn auch offiziell als Wohngemeinschaft aus Kostengründen - und teilen eben nicht nur das Bett, sondern auch ihren Alltag. Bis auch auf sie der Druck von außen zu groß wird.
Aus heutiger Sicht ist schier unglaublich, wie stark Homosexuelle noch in den 50ern in einem westlich-demokratischen Staat diskriminiert und verachtet wurden, welchen Zwängen sie sich unterwerfen mussten, um nicht völlig aus der Gesellschaft zu fallen. In dieser Hinsicht ist "Fellow Travelers" eine wichtige Serie, da sie trotz der positiven Entwicklungen in der Zeit seitdem natürlich auch Parallelen zur Gegenwart aufzeigt. Wenn man McCarthy in Aktion sieht, liegen Gedanken an heutige Politiker wie Donald Trump oder Ron DeSantis nicht allzu fern. Leider unterstützt die Art, wie die Miniserie erzählt und inszeniert wird, das wichtige Anliegen aber nicht gerade. Zum einen entwickelt sich die Geschichte nur sehr langsam und umständlich. Zum anderen laden die Hauptfiguren nicht wirklich zur Identifikation ein. Dazu ist insbesondere Hawkins zu glatt und unsympathisch gezeichnet.
Auch kann man sich als (heterosexueller) Zuschauer fragen, warum Sex zwischen zwei Männern (nicht nur) in dieser Serie immer als hart und aggressiv dargestellt werden muss. Wirklich neu ist das alles für erfahrene Serienfans auch nicht, hat man doch Ähnliches in jüngerer Zeit schon öfter sehen können, etwa in der britischen Miniserie
Hawkins ist hingegen ein Mensch, der seinem Partner absichtlich psychische Verletzungen zufügt - warum, wird jedenfalls in den ersten Episoden nicht klar. Eher blass bleiben die zahlreichen Nebenfiguren, darunter Hawks Alibi-Ehefrau Lucy (Allison Williams aus
Inszeniert ist die Miniserie (in den beiden Auftaktfolgen von Daniel Minahan,
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Fellow Travelers".
Die achtteilige Miniserie startet am Freitag, den 27. Oktober in den USA und einen Tag später im deutschsprachigen Raum bei Paramount+ mit der ersten Episode. Die weiteren erscheinen dann jeweils wöchentlich.
Über den Autor
Leserkommentare
ondina schrieb via tvforen.de am 27.10.2023, 16.29 Uhr:
Mc Carthy beschuldigte unzählige Menschen ohne Beweise von angeblichen kommunistischen Subversionen in den USA die er damit auch beruflich ruinierte. Eine Zeit der Verfolgungswelle in Amerika und eins der dunkelsten Kapitel.
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