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Disneys Mix aus Medizin-, Gesellschaftsdrama und Gaunerkomödie findet keinen rechten Tonfall
Thomas Brodie-Sangster als "The Artful Dodger"
Disney/Hulu
TV-Kritik/Review: "The Artful Dodger": Was wurde aus Oliver Twists Kumpel?/Disney/Hulu

Jack Dawkins, ein begabter junger Chirurg, versichert seinem Patienten, der vor ihm im Hörsaal auf dem Tisch liegt, er müsse keine Angst haben. Er werde nicht zulassen, dass er heute stirbt. Doch Dawkins hat nicht mit dem Chefarzt Professor McGregor gerechnet, der in voll alkoholisiertem Zustand mitten in der Operation in den Saal stürmt und sich beschwert, der Mann sei sein Patient und nur er dürfe den Eingriff durchführen. Natürlich trifft er dann mit dem Skalpell eine wichtige Ader und der Unglückliche stirbt innerhalb einer Minute.

Auch ohne alkoholkranke Chirurgen waren die Zustände in Krankenhäusern Mitte des 19. Jahrhunderts nicht im Entferntesten mit heutigen Standards vergleichbar. So erinnert hier die Atmosphäre in den Hörsälen, in denen vor johlenden Studenten (natürlich nur Männern) operiert wird, eher an einen Boxring oder eine Jahrmarktsbude. Mittendrin Jack Dawkins (Thomas Brodie-Sangster), der engagiert versucht, schwer verletzte Patienten zu retten und etwas mehr Wissenschaft in diesen Zirkus zu bringen. Aber Jack trägt auch den Spitznamen Artful Dodger, weil er eine Vergangenheit als geschickter Taschendieb hat. Als solcher "arbeitete" er als Heranwachsender auf den Straßen Londons an der Seite von Oliver Twist.

 "The Artful Dodger" ist eine jener Serien, die sich literarischer Figuren bedient, um deren weiteres Schicksal sehr frei zu interpretieren. In diesem Fall, einer australisch-amerikanischen Miniserie für Hulu in den USA und Disney+ in Europa, sind es zwei Nebenfiguren aus Charles Dickens' berühmtem Roman "Oliver Twist": eben jener Jack Dawkins und dessen ehemaliger Ziehvater Fagin, der Anführer und Ausbilder der kriminellen Kinderbande, der im Buch den Beinamen "the Jew" trug und für dessen Charakterisierung Dickens Antisemitismus vorgewurfen wurde. Für spätere Auflagen strich der Schriftsteller alle Hinweise auf dessen jüdische Religion. In der Serie hat Fagin nun den "unverdächtigen" Vornamen Norbert verpasst bekommen.

Alte Bekannte: Jack "The Artful Dodger" Dawkins (Thomas Brodie-Sangster) und Norbert Fagin (David Thewlis)
Alte Bekannte: Jack "The Artful Dodger" Dawkins (Thomas Brodie-Sangster) und Norbert Fagin (David Thewlis) Sony Pictures TV/Disney+

Die Handlung des Achtteilers setzt in den 1850er Jahren - also etwa 15 Jahre nach dem Roman - in der britischen Kolonie Australien ein. Dawkins alias Dodger hat seine kriminelle Vergangenheit hinter sich gelassen, ist im Krimkrieg gegen Russland zu Ehren gekommen, wo er dank seiner flinken Finger als Chirurg in der Marine gedient hat. Nun hat er sich in Australien eine Karriere aufgebaut.

Dummerweise kann er nicht vom Spielen lassen. Da er eine hohe Spielschuld gegenüber dem Hafenmeister Darius Cracksworth (Tim Minchin) nicht begleichen kann, droht der, ihm die Hand abhacken zu lassen - was für einen Chirurg sehr unvorteilhaft wäre. Just in dieser Zwickmühle taucht Fagin (David Thewlis) in Dodgers neuer Heimat auf - man hat ihn schlicht in die Kolonie abgeschoben. Schon bald schmiedet der gerissene Gauner wieder Pläne, wie er (und Jack) zu Geld kommen können. Schnell ist Dodger hin- und hergerissen zwischen seiner prestigeträchtigen Karriere als Arzt und seiner ihn wieder einholenden Vergangenheit als Kleinkrimineller.

Und dann tritt auch noch Lady Belle Fox (Maia Mitchell,  "The Fosters") in sein Leben, die Tochter des örtlichen Gouverneurs. Die junge Dame ist gleichermaßen schön wie intelligent und hat keine Lust, sich in die für eine Frau ihres Standes vorgesehene Rolle zu fügen. Vielmehr träumt sie davon, die erste weibliche Chirurgin des britischen Königreichs zu werden. Bei einer gemeinsamen Kutschfahrt mit Dodger gerät ein Junge unter die Räder. Während der Arzt vor Ort dessen Bein amputieren will, weil das die einzige bewährte Methode ist, sein Leben zu retten, besteht die Gouverneurstochter darauf, ihn zu sich nach Hause zu transportieren. Unter Vollnarkose mittels Äther sei es möglich, sein Leben und sein Bein zu retten. Dodger lehnt das erst ab, weil diese experimentelle Methode viel zu gefährlich sei, aber Belle kann sich schließlich doch durchsetzen.

Sie schafft es auch, eine Lehrstelle in der Klinik zu bekommen. Dort lässt Dodger sie aber erstmal so anfangen, wie jede Mitarbeiterin anfangen müsse: mit dem Ausleeren der Bettpfannen. Was die ebenso sture wie einschlägig belesene junge Frau aber gleich dazu nutzt, die miserablen hygienischen Zustände zu kritisieren und die Krankenzimmer komplett umzugestalten. Schon bald experimentiert sie mit verschiedenen Mixturen, um ein geeignetes Desinfektionsmittel zu finden, das die Sterblichkeit bei Gehirnoperationen verringern soll. Zwischen ihr und dem Chirurgen Jack entwickelt sich eine Mischung aus wechselseitigem Lehrer-Schüler-Verhältnis und romantischer Anziehung.

Zwischen privilegiertem Elternhaus und Willen zur Emanzipation: Lady Belle Fox (Maia Mitchell)
Zwischen privilegiertem Elternhaus und Willen zur Emanzipation: Lady Belle Fox (Maia Mitchell) Sony Pictures TV/Disney+

Ganz schön viel Stoff also, den die Serienschöpfer James McNamara, David Maher und David Taylor in ihre lose Literaturadaption gepackt haben. Und leider gelingt es auch nicht recht, zwischen historischem medical drama, Gaunerkomödie und Gesellschaftsporträt einen stringenten Tonfall zu finden. Eher wirkt es manchmal, als würde zwischen verschiedenen Serien gezappt. In der einen Szene gibt es eine berührende Annäherung (physisch wie emotional) zwischen Dodger und Belle, wenn dieser auf der Straße ihr durch Selbstversuche verbranntes Bein mit einer Salbe eincremt, und kurz darauf finden wir Dodger und Fagin nachts auf dem Friedhof wieder, wo sie heimlich Gräber ausheben.

Während die kleinen und größeren Gaunereien von Fagin und seinem früheren Ziehsohn eher unspektakulär ausfallen, wird die Serie immer dann interessant, wenn es um die gesellschaftlichen Zustände und - darin eingebettet - die vielschichtige Beziehung zwischen der Gouverneurstochter und dem zum Arzt avancierten Ex-Sträfling geht. Dabei leidet die Darstellung der Titelfigur ein bisschen unter dem Michael J. Fox-Syndrom: Man nimmt dem sehr jugendlich wirkenden Brodie-Sangster trotz seiner 33 Lebensjahre nicht recht ab, dass er bereits ausgebildeter Chirurg ist. Der Schauspieler, bekannt unter anderem aus dem für britische Darsteller wohl unvermeidlichen  "Game of Thrones" und zuletzt als Malcolm McLaren in  "Pistol" zu sehen, kommt aber zumindest sehr sympathisch und verschmitzt rüber.

Mehr Boxring als OP-Saal: Belle, Jack und Fagin im Fokus des Geschehens
Mehr Boxring als OP-Saal: Belle, Jack und Fagin im Fokus des Geschehens Sony Pictures TV/Disney+

David Thewlis, bekannt ebenso für Indiefilme ( "Nackt") wie für Blockbuster ( "Harry Potter",  "Wonder Woman"), changiert hingegen etwas zu sehr als scheinbar harmloser, in Wahrheit durchtriebener Berufsgauner Fagin. Es ist aber mutig, für einen renommierten Schauspieler, eine so stark umstrittene literarische Figur darzustellen (die in dieser Version alle jüdischen Bezüge verloren hat).

Die mit Abstand faszinierendste Figur ist aber zweifellos Belle Fox, die Maia Mitchell zwischen snobistischer Attitüde, Wissensdrang und gelegentlichen Selbstzweifeln überzeugend verkörpert. Sie wirkt wie eine moderne Frau von heute, die aber in einer Zeit lebt, die noch sehr starre Rollen für Frauen (ihres Standes) vorsieht und die deshalb trotz ihrer privilegierten Stellung hart für ihre Emanzipation kämpfen muss. Letztlich ist es ihr zu verdanken, wenn man trotz der sehr dialoglastigen und reichlich umständlich erzählten Handlung dranbleibt. Ob sich Dickens-Fans mit dieser sehr freien, auch mit modernen Popsongs unterlegten Fortsetzung des klassischen Stoffs anfreunden können, bleibt allerdings zu bezweifeln.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "The Artful Dodger".

Meine Wertung: 3/5

Die achtteilige Miniserie steht ab dem 17. Januar bei Disney+ in Deutschland zum Abruf bereit.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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Leserkommentare

  • Vritra schrieb am 18.01.2024, 00.06 Uhr:
    Ich weiß nach zwei Episoden auch nicht so recht, was ich davon halten soll. Im Prinzip zwar unterhaltsam, werden einem doch die Klischees nur so um die Ohren gehauen. Was mich aber wirklich stört sind die fast karikaturesk überzeichneten Figuren und der aufdringliche und völlig unpassende Score nervt extrem!
    Wie gesagt, es ist unterhaltsam, weil temporeich, ansonsten ist es eine durchschnittliche Geschichte, wie man sie schon oft gesehen hat. Kann man gucken, ist aber schnell wieder vergessen. 5 von 10 für die ersten beiden Episoden.