Update Aufgedeckt im Livestream: Realityshow "Newtopia" ist gescriptet

Es hätte so schön sein können: Nachdem  "Big Brother"-Fans jahrelang auf eine neue tägliche Realityshow gewartet haben, schickte Sat.1 Ende Februar mit  "Newtopia" einen potentiellen Nachfolger auf Sendung. Der Start verlief vielversprechend, doch seit Wochen hat das Format mit herben Quoteneinbrüchen zu kämpfen. Doch jetzt haben Sat.1 und die Produktionsfirma Talpa ein noch viel größeres Problem. Im Livestream auf der Newtopia-Homepage war gestern Nacht ein Gespräch zu hören, dass die angeblich echte Realityshow als Scripted Reality entlarvt.

Gegen zwei Uhr nachts zeigen alle regulären Livestreams lediglich den Kuhstall, doch die ebenfalls angebotene 360-Grad-Kamera dokumentiert ein Gespräch, das niemals an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Die Pioniere werden durch ein akustisches Signal geweckt und sollen sich rund um den Tisch in der Scheune versammeln. Talpa-Mitarbeiterin und Executive Producerin Jacqueline Boßdorf bringt einen Bierkasten mit und hebt das Rauchverbot in der Scheune auf. Sie teilt den Bewohnern mit, dass es dringend etwas zu bereden gäbe und gibt sogar zu, dass sie betrunken sei.

Thema des Gesprächs ist ein Eingriff der Produktion in den Ablauf am gestrigen Sonntagabend. Vier Kandidaten verschwanden eine Stunde im Technikraum des "Newtopia"-Sets, was von den übrigen Pionieren nicht unbemerkt geblieben ist. Sie wurden von den Plänen nicht informiert, wunderten sich über das Vorgehen und lauschten an der Tür. Boßdorf entschuldigte sich dafür, dass nicht alle Kandidaten darüber in Kenntnis gesetzt wurden.

Worüber? Den vier Kandidaten wurde im Technikraum der Wunsch der Produktion unterbreitet, mehr Spannung in die Sendung zu bringen, indem sie die Kühe verkaufen und stattdessen aus der Scheune ein Restaurant machen sollen. Dies sollten dann die auserwählten Kandidaten den übrigen Bewohnern am nächsten Morgen als eigenen Vorschlag präsentieren.

Es handelt sich somit um einen klaren Eingriff der Produktion mit dem Ziel, das weitere Geschehen zu lenken. Dies spricht gegen alles, was ein authentisches Realityformat auszeichnet. Kandidat Hans ist von dem nächtlichen Gespräch ebenfalls alles andere als begeistert. Es sei ein "Unding" und er fühle sich wie ein Vollidiot, wenn Anweisungen der Produktion ins Spiel kämen.

Executive Producerin Jacqueline Boßdorf klingt äußerst entmutigt und beklagt sich über den Druck der Zuschauer, die sie "Junkies" nennt, dass bei "Newtopia" endlich wieder etwas Großes passieren müsse. Demnach habe man schon andere Pläne, wie etwa die Eröffnung eines Tattoo-Studios in Betracht gezogen. Diesen Vorschlag hatte kürzlich Neuzugang Kate angebracht - vermutlich auch auf Anweisung. Auch Pionierin Conny äußert Kritik an den Manipulationen durch die Produktion und meint, dass dadurch ihr Vertrauen verloren gegangen sei. Boßdorf beteuert, dass sie immer auf der Seite der Bewohner stehe, doch die Idee mit dem Restaurant sei auch der ausdrückliche Wunsch von John de Mol. So würden auch die zurückhaltenden Kandidaten Steffen und Tatjana "nicht mehr so nutzlos" sein.

Die Executive Producerin gesteht, dass sie "echt Probleme" habe und es schlimm sei. Eigentlich dürfe sie jetzt gerade auch nicht hier sein. Kurz darauf bemerkt die Produktion offenbar, dass die Unterhaltung im Netz übertragen wurde und Boßdorf erhält per Funk die Ansage "Batteriewechsel". Nach einigen Minuten wird schließlich der Ton im Livestream abgeschaltet. Doch es war genug zu hören.

Auf der offiziellen Facebook-Seite von "Newtopia" wurde vor wenigen Minuten ein Statement von Sat.1 zu der Angelegenheit veröffentlicht:

"SAT.1 sagt Entschuldigung!

Heute in der Nacht war eine Mitarbeiterin der "Newtopia"-Produktionsfirma Talpa Germany offensichtlich bei den Pionieren in der "Newtopia"-Scheune. Sie hat von sich selbst gesagt, dass sie betrunken sei und dann mit den Pionieren über die Zukunft von "Newtopia" gesprochen. Dieses Gespräch konnte man über die 360-Grad-Kamera verfolgen. Diese Aktion war nicht mit dem Sender SAT.1 abgesprochen. Trotzdem entschuldigen wir uns aufrichtig dafür. Solche Gespräche sind nicht im Interesse von SAT.1. Wir, das Team von SAT.1, klären gerade auf, wie es zu diesem Vorfall hat kommen können. Wir werden euch so schnell wie möglich über die Hintergründe informieren."

Doch der Karren liegt bereits im Dreck. Das Vertrauen der Zuschauer wurde ausgenutzt und viele Fans werden wohl bald keine mehr sein. Auf Twitter macht bereits der Hashtag #Faketopia die Runde und einige Zuschauer haben ihr Abo schon gekündigt ("Für Betrug zahl ich nicht"). Für John de Mols Produktionsfirma Talpa, die das Format  "Utopia" auf der gerade begonnenen Fernsehmesse MIPTV in weitere Länder verkaufen will, könnte diese Entlarvung verheerende Konsequenzen haben.

30 Minuten der nächtlichen Unterhaltung zum Nachhören

Update: Inzwischen hat auch die Produktionsfirma Talpa Germany ein Statement veröffentlicht:

"Die 15 Pioniere in Newtopia sind vollständig selbst dafür verantwortlich, wie sie ihr Leben gestalten. Was wir als Zuschauer in den Live-Streams und in den täglichen Folgen auf den Bildschirmen sehen, ist echt. In jeder Reality-Show werden die Teilnehmer von den Producern der Show beraten und betreut. Dies geschieht in Newtopia - und in der holländischen Version Utopia - sehr zurückhaltend. Die Producer nehmen diese Möglichkeit zu Zeiten wahr, in denen die Kameras abgeschaltet sind, z.B. während Wartungsarbeiten. Wir von Talpa Germany bedauern, was gestern Nacht in Newtopia passiert ist. Der Vorfall wird untersucht und, falls notwendig, werden angemessene Schritte unternommen."