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"Das lautstarke Gebrüll aus Gandersheim" - so bezeichnet sich die Stiftsdame Hroswitha aus dem Kloster Gandersheim. Mehrere Sprecher tragen Texte dieser bedeutenden Schriftstellerin aus dem Mittelalter vor. Illustriert werden die Texte durch zeitgenössische Darstellungen, aber auch durch Plastikritter und -elfen aus dem Kinderzimmer. Roswitha, wie wir sie heute nennen, schreibt in ihrer Klosterstube in lateinischer Sprache lustige und besinnliche, abenteuerliche und spannende Geschichten. Als Feministin beschreibt sie ihre Frauenfiguren als Heldinnen und nicht in der damals üblichen untergeordneten Rolle. Überliefert sind aus ihrer Feder acht Legenden, sechs Dramen und zwei historische Dichtungen mit über 10.000 lateinischen Versen. Wer war diese Dichterin? Seit etwa 940 wohnte sie im Stift Gandersheim. Sie muss keine Nonne gewesen sein, denn viele Töchter des Hochadels wählten Klöster als Alternative zu einer unerwünschten (Zwangs-)Ehe, ohne deswegen in den Orden einzutreten. Die Sendung zeigt dann in einem Exkurs die Schutzfiguren am Magdeburger Dom und an der Stiftskirche von Gandersheim als Zeichen des geistigen und religiösen Umfelds der Zeit. Roswitha rechtfertigt ihre Ehelosigkeit mit dem Beispiel der Jungfrau Maria und sucht dabei den Schutz ihrer Äbtissin. Als Quelle ihrer unterhaltsamen Geschichten, die im Kreis der Nonnen und Stiftsfräulein vorgetragen werden, wählt sie unbekannte oder sogar geheime Schriften aus der Klosterbibliothek. Meist handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen machtgierigen, aber einfältigen Heiden und scheinbar unterlegenen Christen, die aber durch ihre Pfiffigkeit und ihren Glauben schließlich siegen. Sie wird überregional bekannt und erhält später sogar den Auftrag, über die Geschichte ihres Klosters und schließlich auch über die Geschichte der Ottonen zu schreiben. Später verliert sich ihre Spur in der Geschichte - wahrscheinlich ist sie um 975 gestorben, ihre Grabstätte ist nicht überliefert.
(ARD-alpha)