Terra X

Hunderte Menschen warten am frühen Nachmittag des 9. Februar 1875 auf einem kleinen Bahnhofsgelände in der Nähe der Kleinstadt Fitchburg, Massachusetts. Sie sind aus allen Teilen des Landes in den Nordosten der Vereinigten Staaten gereist, um an der Jungfernfahrt durch den spektakulären Hoosac-Eisenbahntunnel teilzunehmen, dem mit etwa acht Kilometern damals längsten Tunnel der Welt. Während seiner Bauzeit füllten die politischen Intrigen, die das Projekt begleiteten, und die dramatischen Unglücksfälle auf der Baustelle regelmäßig die Zeitungen. Für den US-Bundesstaat Massachusetts bedeutet der Hoosac-Tunnel das lang ersehnte, wirtschaftlich lebenswichtige Tor nach Westen. Denn seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich ein spinnenartiges Netz aus Eisenbahnlinien über das ganze Land ausgebreitet - eine Revolution des Transportwesens. Nur Neuengland, die Wiege der amerikanischen Nation, scheint davon abgeschnitten zu sein, weil die Appalachen eine 1000 Meter hohe geologische Barriere darstellen. Eine Trasse über die Berge hatte sich als ineffektiv und viel zu gefährlich erwiesen. Die Vision zur Rettung der Heimat verdankt Massachusetts dem reichen Papierfabrikanten Alvah Crocker: "Wenn die Züge nicht über die Berge kommen, dann werden wir eben durch sie hindurch fahren." Ein verwegenes Vorhaben, denn der Tunnel durch den Hoosac Mountain wäre um ein Vielfaches länger als alle, die es bisher gab. Die Zeitungen halten das Projekt für unmöglich, und die Eisenbahnmonopolisten jener Zeit werden schnell zu entschiedenen Gegnern von Crockers Plänen. 26 Jahre vergehen, bis Crocker nach vielen Rückschlägen und unerbittlich ausgefochtenen Rivalitäten letztlich triumphieren kann. 26 Jahre, in denen er sowohl in den Parlamentssälen für seinen Traum kämpfen als auch gegen die scheinbar unbezwingbare Geologie des Berges antreten muss. 26 Jahre, die über 21 Millionen Dollar verschlingen, die nach heutigem Wert der immensen Summe von einer halben Milliarde Dollar entsprechen. 26 Jahre, in denen 193 Todesopfer auf der Baustelle zu beklagen sind. 26 Jahre, bis zwei Millionen Tonnen Stein aus dem Berg gesprengt und gebohrt sind und in denen unzählige technische Erfindungen den Tunnelbau bis in unsere Zeit nachhaltig revolutionieren. "Terra X - Sieg über den Höllenberg" erzählt, wie sich am Hoosac Mountain der Schritt von der Handarbeit Tunnelbau hin zu Sprengstofftechnik und mechanisierter Abbauarbeit vollzog und damit der Grundstein für den modernen Bergbau gelegt wurde. Der Hoosac-Tunnel wurde zum Sinnbild eines neuen Zeitalters, in dem die Eroberung des Untergrunds nicht mehr länger tödliches Risiko und mörderische Schufterei, sondern ein machbares Unternehmen ist. Damals war der Hoosac-Tunnel der längste der Welt, sein Nachfolger entsteht zurzeit unter den Alpen. "Terra X" dokumentiert mit atemberaubenden Bildern das größte Tunnelprojekt aller Zeiten, den 57 Kilometer langen Gotthard-Tunnel. Die Mega-Baustelle fußt noch immer auf den Errungenschaften, die Alvah Crocker vor rund eineinhalb Jahrhunderten am Hoosac Mountain eingeführt hat, beispielsweise Tunnel-Bohr-Maschine und Druckluftbohrer, mit denen die Löcher für Sprengungen in die Felswände getrieben werden. Zudem wirft die spannende Dokumentation einen faszinierenden Blick in die Zukunft, in der ein Tunnel durch den Atlantik New York und London miteinander verbinden soll.