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Als "Stadion der Hunderttausend" ließ der in Leipzig geborene DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht das Zentralstadion 1955/56 errichten: seinerzeit die größte Sportarena Deutschlands. Die wurde aus den Bomben-Trümmern Leipzigs gebaut: Mit Loren auf schmalen Gleisen karrte man das Erbe des Krieges auf den sumpfigen Baugrund. 23 m hoch geriet der Zuschauerwall: mit seinen steilen Treppen der Schrecken für alle Sportler, die hier beinhartes Ausdauertraining absolvierten. Zugleich machte die imposante Schüssel - flankiert von der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) und dem Schwimmstadion - Leipzig zur Sporthauptstadt der DDR. Obwohl Radsport-Idol und Amateur-Doppelweltmeister Täve Schur kurz vor der Einfahrt in den Stadiontunnel so schwer stürzte, dass sein Rad gewechselt werden musste, überwiegen bei dem 83-Jährigen die positiven Erinnerungen an das Zentralstadion Leipzig: Wegen der vielen schönen Sportlerinnen auf den Turn- und Sportfesten. Da sei bei sommerlicher Hitze "kein Leipziger Brunnen vor den leicht bekleideten Athletinnen sicher gewesen". Weniger euphorisch blickt Torwart-Legende René Müller auf die Leistungsschauen des DDR-Sports: "Für Kinder sicher ein Erlebnis: Da war Stimmung in der Stadt. Aber das Fähnchen-Heben auf Kommando habe ich nie gemocht." Dafür spricht Müller umso lieber über seine zwei gehaltenen und den einen von ihm selbst verwandelten Elfmeter für Lok Leipzig im Europapokal-Spiel 1987 gegen Girondins Bordeaux und über die Zuschauermassen. Die Ordner hörten bei 73.000 auf zu zählen und "ließen die große Schüssel einfach voll laufen". Im Gegensatz zu Walter Ulbricht, der sich gern als aktiver Sportsmann filmen ließ, wollte Nachfolger Erich Honecker möglichst ungesehen in das Stadion gelangen: Für ihn trieb man extra einen Tunnel durch den Westwall. Der "Honecker-Tunnel" ist ebenso erhalten wie ein Konzertsaal für 120 Musiker, die live Nationalhymnen intonieren konnten. Heute wird eben dieser Saal mit seiner neo-klassizistischen Kassetten-Decke zum VIP-Bereich für den Neu-Bundesligisten RB Leipzig umgerüstet. Übrigens ist das ab 2000 neu errichtete Stadion eine Schüssel in der Schüssel: Der alte Trümmerwall umarmt regelrecht das ultra-moderne, FIFA-taugliche Rund für nunmehr 43.000 Zuschauer. Wie der dortige Rasen bei Rockkonzerten aufwendig geschützt wird, welche Funktion der jugendliche Sprinter Uwe Steimle - heute ein bekannter Kabarettist - auf dem Turn- und Sportfest 1977 übernahm und wie René Müller auf Diego Maradona traf, dies alles und noch viel mehr erzählt "Der Osten - Entdecke wo du lebst".
(mdr)
Länge: ca. 30 min.