37 Grad

Die 38-jährige Andrea steht mitten im Leben. Sie ist beruflich erfolgreich, besitzt eine große Eigentumswohnung und lebt seit acht Jahren glücklich mit ihrem Hund Finn zusammen. Einen Mann braucht sie nicht unbedingt, auch keine Familie, sagt sie, denn durch Finn ist sie ausreichend mit Wärme und Zuneigung versorgt. Das lässt sie sich auch einiges kosten. 400 bis 500 Euro gibt sie monatlich für den Hund aus. Physiotherapie, Hundetraining und bestes Ökofleisch aus der Region: Für den Hund ist ihr nichts gut genug. Für die attraktive Andrea ist der Hund kein Ersatz. Einen Kinderwunsch hat sie nie gehabt, den richtigen Mann noch nicht gefunden - schon gar keinen, der ihre große Liebe zu dem Hund teilen kann. Die 18-jährige Elfie lebt auf der Straße. Als sie 16 Jahre war, warf der Vater sie raus. Alles an seiner Tochter ist ihm zuwider. Ihre punkigen Haare, Piercings und Tätowierungen, ihre Alkoholexzesse. Eine Schmarotzerin, die vom Schnorren lebt. Elfie geht nach Berlin. Um nicht allein zu sein, schafft sie sich Itschy an, einen Mischling. Itschy begleitet Elfie den ganzen Tag. Wenn sie betrunken ist, passt er auf sie auf und beißt Männern, die sich an sie heran wagen, auch mal ins Knie. Elfie liebt das Leben ohne Regeln. Sie denkt nicht an Morgen und lebt in den Tag hinein. Nur mit Itschy ist sie sehr diszipliniert und streng. Er soll bei ihr bleiben, darf nicht auf die Straße rennen. Sie will ihn nicht an die Leine nehmen. Itschy soll frei sein, so wie sie selbst. Elfie trampt nach Stuttgart, um dort ihre Mutter zu treffen. Ins Elternhaus darf sie nicht. Die Mutter ist verzweifelt, mit ansehen zu müssen, wie Elfie immer mehr abstürzt. Doch sie hofft, dass die Verantwortung für den Hund ihre Tochter vor dem endgültigen Absturz bewahren wird. Hundebesitzer gibt es in allen sozialen Schichten. Der Hund wird zunehmend zum wahren Freund des Menschen, und die Infrastruktur für Hunde war noch nie so gut wie jetzt. Von Hundekindergarten bis Hundephysiotherapeuten bis Hundetafel. Auch wenn die süßen Vierbeiner die treuesten Freunde der Menschen sind und zu Recht geliebt werden, ihre Vielzahl zeigt auch eine gewisse soziale Kälte auf. Man bedient sich eines Hundes, wenn man von seinen Mitmenschen enttäuscht wurde oder sie einfach zu anstrengend sind. Die 61-jährige Uschi ist seit zwei Jahren Witwe. Als ihr über alles geliebter Mann starb, verendete kurz darauf auch noch ihr Hund Joschi. Um nicht ganz in ein Loch zu fallen, kauft die kinderlose Uschi sofort wieder einen neuen Hund. Doch dieser kleine Bolenko ist nicht so pflegeleicht wie der Zwergpudel Joschi. Wenn Uschi auf Veranstaltungen Hüte verkauft, kläfft und knurrt er Kunden an. Der Hund verdirbt ihr das Geschäft. Eigentlich müsste sie ihn abgeben, doch sie hat bereits ihr Herz an den kleinen Kläffer verloren. Uschi engagiert eine Tiertrainerin, damit sie ihren Hund Mischa behalten kann. Doch sogar diese hat Schwierigkeiten mit dem süßen Tier. Zweimal beißt er die Tiertrainerin in die Hand. Uschis Angst, ihren Mischa abgeben zu müssen, wird immer größer, denn der Hund ist das einzige Lebewesen, von dem sie sich wahrgenommen fühlt, und er ist wohl der einzige, der sie vermissen wird, wenn sie mal stirbt. Elfie spaziert mit ihrem Hund auf eine Anhöhe. Von hier aus erstreckt sich in einem Tal das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Auch diesen Ort darf sie nicht betreten. Ihrem Vater wäre das schrecklich peinlich. Warum, sagt sie, kann er mich nicht so nehmen wie ich bin? So wie mein Hund Itschy. Menschen kommen und gehen, resümiert Elfie, nur Itschy bleibt bis zum Schluss. Das ist auch der Grund, warum Andrea so zufrieden ist mit ihrem Hund. Weil er nicht mehr von ihr fordert, mehr verlangt, weil er sie nicht ändern will.