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Der Tag beginnt und schon ist er da: Unser täglich Lärm. Der Wecker rasselt, das Radio dudelt, die Kaffeemaschine zischt, der Fön dröhnt, die Saftpresse brummt... Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht ist man von Geräuschen umgeben und meist bemerkt man das nicht einmal. Man ist ja daran gewöhnt. Irrtum, sagt die Wissenschaft. Unser Körper kann sich nicht an Lärm gewöhnen. Er nervt, stresst und stört empfindlich. Familie Rupf lebt mit drei Söhnen mitten in Frankfurt und betreibt eine Apfelweinwirtschaft. Familie Le Lionnais lebt in der Nähe des Meeres, in Plouha, einem kleinen Örtchen in der Bretagne. Drei Generationen nahe beieinander. Heißt das, die einen im Stress und Krach der Großstadt, die anderen in Ruhe und Gelassenheit der Natur? Nicht unbedingt. Denn einen Großteil des Lärms produziert jeder von uns selbst. Bei der Arbeit, im Garten, beim Hausputz, beim Musik machen oder hören, beim Heimwerken oder Party feiern bei all dem kann es richtig laut werden. Doch Lärm? Den machen immer die anderen! Was wir mögen, das stört uns nicht. Ganz anders sieht das aus, wenn der Nachbar bohrt und hämmert, uns mit seiner Musik zudröhnt oder gar seinen Laubbläser anwirft. Nachbarschaftsstreitigkeiten sind an der Tagesordnung. Im eng besiedelten Paris eskalieren sie mitunter zu Gewaltausbrüchen. In der Nacht gibt es deshalb für lärmgeplagte französische Hauptstädter sogar ein Notruftelefon - einen direkten Draht zum Gerichtsvollzieher. Der macht sich sofort auf den Weg und dokumentiert die Geräuschbelästigung. Und seine Aussage gilt vor Gericht als Beweis. Gegen den Nachbarn kann man klagen, gegen die permanente Dauerberieselung in Restaurants, Aufzügen, Toiletten, Einkaufszentren nicht. Wer glaubt, es sei Zufall, welche Musik, wann, in welchem Geschäft läuft, der irrt. "Musikwelten" zu kreieren ist heute ein eigener Geschäftszweig geworden. Die Dauerbeschallung wird speziell auf die "Kernzielgruppe" zugeschnitten. In angesagten Shops für Jugendliche wummert es mitunter so laut, dass zur Feierabendstunde leisere Zeitfenster für die Eltern ins Musikprogramm eingebaut werden zum Bezahlen. HNO-Ärzte sehen besorgt, wie sich immer mehr Jugendliche durch ständigen und vor allem zu lauten Musikgenuss, ihr Gehör zerstören. Der MP3-Player ist für viele ständiger Begleiter. Mediziner schätzen, dass fast ein Viertel der europäischen Jugendlichen bereits unter einem nicht heilbaren Hörschäden leidet und dass 30 Prozent von ihnen spätestens mit 50 ein Hörgerät benötigen werden. Bei der Suche nach den Ursachen finden Hörakustiker und Mediziner ein weiteres Lärm-Problem: Kinderspielzeug. Vor allem Billigprodukte aus Asien produzieren mitunter Lautstärken, die sogar eine Kettensäge übertreffen. Bei Untersuchungen hörten fünf bis zehn Prozent aller Kinder schlecht. Heißt das, wir dürfen es nie mehr laut um uns herum haben? Familie Rupf und Familie Le Lionnais sind alles andere als Spaßverderber. Sie brüllen beim Rugby, spielen Schlagzeug, schneiden fröhlich mit der Motorsense Gras und drehen beim Staubsaugen die Musik extra laut. Der unterhaltsame Film von Dorothee Kaden macht unseren täglichen Lärm zwischen Vergnügen und Gefährdung hörbar. Den zweiten Teil der Dokumentation "Lärm ohne Grenzen" zeigt 3sat im Anschluss um 21.10 Uhr.
(3sat)
Länge: ca. 55 min.