Deutsche TV-Premiere: 12.05.2018 (3sat)
Was, wenn der eigene Erzeuger ein mythenschwerer Übervater ist, der nie daheim war, weil er Abenteuer zu bestehen hatte, die ihrerseits aber auch nicht ganz gesichert sind? Dann holt man sich den Helden ins Zimmer und macht Kleinholz aus seinen unglaublichen Geschichten. Antú Romero Nunes erzählt in "Die Odyssee. Eine Irrfahrt nach Homer" von den beiden Odysseus-Söhnen Telemachos und Telegonos. Zwei Männer treffen sich am Sarg des Vaters, entdecken aber erst dort, dass sie Brüder sind. Zwei traurige Figuren, die irgendwie an Estragon und Wladimir aus Beckets "Warten auf Godot" erinnern, nur sind es Telegonos und Telemachos, die Söhne des Odysseus. Das griechische Heldenepos kommt aber bei Regiseur Antú Romero Nunes so gar nicht heroisch daher. Die beiden Brüder sprechen eine Fantasiesprache, die stark an Schwedisch erinnert und doch immer irgendwie verständlich bleibt. In irrwitzigen Dialogen entspinnt sich ein Bruderkampf um Gunst und Liebe des bereits toten Vaters, gespickt mit Zaubertricks, oftmals kindisch und gerade deshalb so liebenswert. Einer der lustigsten Theaterabende seit Langem, da sind sich Publikum und Kritiker einig. Schlaglichtartig tauchen immer wieder Anspielungen an die Odyssee auf, zum Beispiel wenn einer der Männer halbnackt mit einer Schweinemaske auf dem Sarg tanzt. Odysseus hatte ein Jahr lang auf der Insel Aiaia mit der Zauberin Kirke zusammengelebt, da diese die Hälfte seiner Weggefährten in Schweine verwandelt hatte. Ergebnis dieser Liaison war Telegonos. So greift Nunes immer wieder Fäden der Odyssee auf und lässt sie genauso schnell wieder fallen. Aus Warten auf Godot wird hier Warten auf den Vater, Odysseus, doch dieser kommt nicht mehr. Die beiden Brüder müssen sich der Realität stellen und erwachsen werden. Nach dem sie ihr inneres Kind in den Selbstmord getrieben haben, sind sie bereit für den symbolischen Vatermord und zerlegen den väterlichen Sarg mit Kettensägen. Antú Romero Nunes ist bekannt als großer Geschichtenerzähler und Theaterzauberer. Sonst eher ein Mann der großen Geste, entwickelte er dieses Zwei-Personen-Stück mit seinen Schauspielern Thomas Niehaus und Paul Schröder auf der kleinen Bühne des Thalia Theaters in Hamburg. Ein zauberhafter Abend, der mit den einfachsten Mitteln große Magie entfaltet.
(3sat)
Cast & Crew
- Szenenbild: Antú Romero Nunes