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"Escobar hat eine tiefe Narbe in Kolumbien hinterlassen": Ein Treffen mit "Narcos"-Hauptdarsteller Wagner Moura

Ein Treffen mit "Narcos"-Hauptdarsteller Wagner Moura - von Gian-Philip Andreas
(28.08.2015)

"Eine der übelsten Gestalten, die jemals auf dieser Erde gewandelt sind"": Wagner Moura über seine Rolle des Pablo Escobar
"Eine der übelsten Gestalten, die jemals auf dieser Erde gewandelt sind"": Wagner Moura über seine Rolle des Pablo Escobar

Wagner Moura ist nicht der erste Schauspieler, der vor der Aufgabe stand, eine darstellerische Form für diesen längst zur gruseligen Kultfigur und zum charismatischen Schreckgespenst mythisierten Großkriminellen zu finden. Sich nur einen Schnauzbart anpappen zu lassen, das reicht dafür nicht. Die kolumbianische Soap etwa, die in angeblich 150 Episoden über Escobar gedreht wurde, habe er sich angeschaut - da spiele der Darsteller seinen Pablo eher fröhlich. Und als er mit "Narcos" fast fertig war, habe er auch den neuen Escobar-Kinofilm mit Benicio del Toro gesehen. Del Toro verkörpere den Drogenboss sehr müde und niederträchtig. Beide Darsteller seien in ihren Rollen "ganz Pablo", lobt Moura. "Ich habe ihn dann aber ganz anders angelegt."

Vor der Rolle hatte er durchaus Respekt, und wäre "Narcos" kein Projekt seines guten Freundes (und "Tropa de Elite"-Regisseurs) José Padilha, hätte er die Rolle weder bekommen noch sich überhaupt getraut, sie zu übernehmen. Nicht nur, weil er zu Escobars Zeiten selbst noch ein Kind war und sich nur an wenig erinnern kann - an das Foto vom toten Drogenkönig etwa, dahingestreckt auf einem Hausdach, oder an René Higuain, den damaligen kolumbianischen Nationaltorwart, der nach einer Gefängnisvisite bei Escobar spektakulär verhaftet wurde. Nein, der wichtigere Grund für Mouras Zögern ist viel einfacher: Er spricht als Brasilianer natürlich Portugiesisch und kein Spanisch, schon gar nicht kolumbianisches Spanisch. Der Druck war deshalb groß, und Moura befürchtete den Spott der Kolumbianer - dass da ein spirreliger Brasilianer ankäme und mit schlechtem Akzent eine der größten spanischsprachigen Gangsterlegenden nachzuahmen versuche, eine Figur zumal, die vielen Einheimischen noch immer im Genick säße, als mythischer Held für manche, als Trauma für die meisten anderen: "Die Leute in Kolumbien sehen Escobar heute überwiegend sehr kritisch, fast jeder kennt jemanden, der während seiner Bombenattentate in Bogotá getötet wurde, einen Onkel, einen Cousin, eine Mutter. Das ist alles noch gar nicht so lange her und eine sehr tiefe Narbe in der kolumbianischen Gesellschaft."

Armut, Gewalt, soziale Spaltung, inoffizielle Regimes von Gangsterbanden in Armenvierteln, all das sei auch in Brasilien alles andere als unbekannt, meint Moura. Schon deshalb habe ihn die Escobar-Story gereizt. Also begab er sich bereits ein halbes Jahr vor Drehbeginn nach Medellín und schrieb sich dort an der Uni für einen Sprachkurs ein. Er las jedes Buch über Escobar, sah jede Fernsehdoku, lernte die Sprache, übte die Aussprache und aß, aß, aß. Mehr als 20 Kilo musste er zunehmen, um dem gemütlichen Familientier Escobar optisch nahezukommen, ganz so wie damals Robert de Niro für "Wie ein wilder Stier". Um bloße Imitation sei es ihm dabei aber nicht gegangen: "Es geht am Ende darum, wie man seine eigenen Emotionen und seine eigene Sichtweise mit der zu spielenden Figur verbindet." Irgendwann habe er angefangen, Gesten und Bewegungen Escobars automatisch zu übernehmen, ohne näher darüber nachdenken zu müssen. Dann konnten die Dreharbeiten beginnen.

"Narcos" erzählt nicht nur von Escobar und den anderen Bossen des Medellín-Kartells, die Serie folgt auch zwei amerikanischen DEA-Ermittlern, die am Ende maßgeblich dazu beitrugen, Escobar zu Fall zu bringen. Einer der beiden fungiert als Erzähler der Serie. Von einer amerikanischen Perspektive als Zugeständnis ans Netflix-Publikum in den USA will Moura aber nichts wissen: "Es war mir als Lateinamerikaner sehr wichtig, dass 'Narcos' keine Geschichte über tolle US-Cops ist, die in ein Dritte-Welt-Land einmarschieren und arme Leute von einem Schurken befreien." Dass es so kommen könnte, hatte er allerdings auch nie befürchtet. "José Padilha, mit dem ich mich sehr verbunden fühle, ist ein sehr politischer Filmemacher, er möchte politische Wirklichkeiten verstehen und sie dem Publikum verständlich machen." Und die USA kämen in "Narcos" ja nun wirklich nicht sonderlich gut weg. Außerdem sei da ja der vorwiegend lateinamerikanische Cast, mit Schauspielern aus Mexiko, Chile, Argentinien und natürlich Kolumbien, gedreht wurde überwiegend vor Ort, in Medellín, Bogotá, Cartagena, alles auf Spanisch natürlich. Dass dadurch das notorisch untertitelfaule US-Publikum vergrätzt werden könnte, will Moura jedenfalls nicht glauben. "Alles in englischer Sprache zu drehen, das wäre doch völlig unauthentisch gewesen. Pablo hat in seinem Leben niemals Englisch gesprochen!"

Am Ende des Gesprächs sagt Moura, man könne jetzt doch noch mit ihm über Fußball reden. "Aber nur bei einem sehr starken Drink", lacht er - und rückt seine Hornbrille zurecht. In Kolumbien wurde mal ein Nationalspieler erschossen, weil er bei der WM 1994 ein fatales Eigentor erzielt hatte. Escobar, der damals schon nicht mehr lebte, hätte das bestimmt gefallen. Um einen einzigen Mann zu töten, hat er mal eine vollbesetzte Boeing in die Luft gejagt. Das ist so ungefähr das Ruchlosigkeitsniveau, auf dem Pablo Escobar operierte. Und der nette Mann, der den "King of Cocaine" in "Narcos" spielt, steht jetzt auf und fährt wieder hoch in sein Zimmer im Soho House. Was wohl auf seinem Nachttisch steht? Wir tippen: Salzmandeln.

Alle Bilder: Daniel Daza / Netflix

 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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