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"Unser Lied für Liverpool": Erste Eindrücke von den Proben zum ESC-Vorentscheid
(02.03.2023)
Bei "Blood & Glitter" wird's spürbar heiß
Lord of the Lost bringen ordentlich Feuer auf die Bühne: Die Hamburger Band tritt mit dem Titelsong ihres gleichnamigen Nummer-Eins-Albums "Blood & Glitter" an und bringt hierzu gleich ein ganzes Gerüst mit auf die Bühne, auf das sich Teile der Band stellen. Der mehrstöckige Bühnenaufbau lässt die Band noch opulenter wirken.
Sänger Chris Harms liefert nach anfänglichen Problemen mit dem Nebel, der ihm mitten ins Gesicht geblasen wird, eine mehr als ordentliche Gesangsperformance in einem Genre ab, das zwischen Rock, Metal, Glam, Wave und Pop verortet wird. Außerdem gönnt sich die Band ein paar Pyro-Effekte, was die Temperatur im Studio für einen kurzen Moment spürbar steigen lässt. Lord of the Lost zaubern damit nicht nur den lautesten, sondern auch den heißesten Auftritt des Tages auf die Bühne. Für den Vorentscheid verspricht das eine fulminante letzte Nummer.
Frida Gold setzen auf Schattenspiel
Ein riesiger weißer Vorhang hängt für das Duo Frida Gold von der Studiodecke und bildet somit die Projektionsfläche für ein Schattenspiel in ihrem Song "Alle Frauen in mir sind müde". Visuelle Elemente wie die aus dem Musikvideo bekannte Frau mit dem Pfeil im Rücken finden sich nicht nur als Schatten auf dem Kabuki-Vorhang, sondern auch auf dem kleinen bisschen Restbühne, das zwischen Bühnenrand und Leinwand noch übrig bleibt. Als der Vorhang dann herunterfällt, erscheinen weitere Frauen mit Pfeil im Rücken und tänzeln zu den Klängen der Flamenco-Gitarren.
Ähnlich wie Ikke Hüftgold haben auch Frida Gold ihren zunächst vollständig deutschsprachigen Text teilweise ins Englische überführt, was dank der gefühlvollen Inszenierung jedoch nicht sonderlich störend auffällt.
Womöglich erreicht die Botschaft der vom spanischen Flamenco inspirierten Ballade auf diesem Weg noch mehr Menschen - sofern sich das deutsche Publikum und die internationalen Jurys für dieses ungewöhnliche Musikstück als ESC-Beitrag entscheiden sollten. Der herabrieselnde Schnee am Ende des Songs hat jedoch das Zeug dazu, das eigentlich reduzierte Lied in seiner Inszenierung unnötig zu überladen und von der feministischen Botschaft im Songtext abzulenken.
Voller Fokus auf Patty Gurdy und ihre Drehleier
Eine Windmaschine gibt's heute nicht?
, vergewissert sich Patty Gurdy nach ihrem ersten Probendurchgang. Mit ihrer Drehleier steht die 25-jährige Düsseldorferin ganz allein auf der Bühne. Auf Tänzerinnen und Tänzer verzichtet sie bei der Darbietung ihres Folk-Pop-Songs "Melodies of Hope" ganz. Stattdessen steht sie im ersten Probendurchgang - passend zum mystischen Wald auf der LED-Wand - zunächst hinter einem Pult aus Gestrüpp. Beim zweiten Durchgang verzichtet sie ganz auf dieses Pult, wodurch ihr Kleid zur Geltung kommt. Für welche Inszenierung sie sich am Freitagabend entscheiden wird, scheint noch unklar zu sein.
Die gesamte Performance auf sie und ihre Drehleier auszurichten, ist mutig, rückt dies doch auch alle Aufmerksamkeit auf ihre Darbietung, die gesanglich anfangs noch etwas unsicher wirkt. Ihr optimistischer Song lässt auch hoffen, dass sie am Freitagabend selbstsicherer wirkt, um unmittelbar vor Ikke Hüftgolds Auftritt nicht sofort in Vergessenheit zu geraten.
Gesamteindruck vom Probentag
Mitunter rätselhafte Bühnengestaltungen, unterschiedlich kreative Ansätze und überraschende Änderungen an Songs: Der erste Probentag zum ESC-Vorentscheid hat einen ersten Eindruck davon vermittelt, welche Inszenierungen die Zuschauerinnen und Zuschauer am Freitagabend erwarten können. Dabei deutet sich bereits an, dass die harmlos anmutenden Songs auch auf der Bühne kaum punkten können, während die lauteren und schnelleren Songs meist ansehnlichere und einprägsamere Inszenierungen zu bieten haben. Dieser Umstand könnte insbesondere TRONG, Ikke Hüftgold und Lord of the Lost nutzen - doch auch Frida Gold und Anica Russo ist eine ansprechende Inszenierung gelungen.
Dass es dem NDR gelungen ist, einen Vorentscheid mit tatsächlich ausgebauter Genrevielfalt zusammenzustellen, macht dem Publikum die Entscheidung für einen Act sicherlich nicht leichter. Feststehen dürfte, dass ein dreiminütiger statischer Auftritt auf einem großen Felsen nicht für den Sieg im Vorentscheid genügen wird - auch wenn ein zu Probezwecken genutztes Fake-Juryvoting René Miller ganz vorne sah.
Einen finalen Eindruck von den Künstlerinnen und Künstlern, ihren Songs und ihren Auftritten kann sich das Publikum beim ESC-Vorentscheid am Freitagabend machen. Ab 22.20 Uhr übertragen Das Erste, One, eurovision.de und die ARD Mediathek "Unser Lied aus Liverpool" live aus Köln. Eine neue Ausgabe von
Über den Autor
Der studierte Medienwissenschaftler ist seit 2014 Teil der Redaktion von TV Wunschliste und behält dort sowohl längst vergessene als auch noch gar nicht angekündigte Sendungen im Auge. Seit 2020 ist Lukas außerdem Juror beim Grimme-Preis.
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