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"Peak TV"? Mal wieder "mehr TV-Serien denn je"
Im Jahr 2016 wurden für die USA erneut mehr fiktionale Serien produziert, als je zuvor: 455. Die letzte Höchstmarke stammt, wenig überraschend, aus dem Jahr 2015. Damals wurden in einer Studie des amerikanischen Kabelsenders FX 421 Comedy- und Drama-Serien gezählt, die für das amerikanische Publikum produziert wurden - von den Broadcast-Networks, den Basic- und Premium-Kabelsendern und von den Streaming-Anbietern.
Gerade letztere sind im ablaufenden Jahr die Gründe für das Gesamt-Wachstum von 8 Prozent: Amazon, Netflix und Hulu kämpfen um die Krone unter den Video-on-Demand-Anbietern, kleinere Anbieter wie NBCs Comedy-Angebot Seeso und Crackle vom im Fernsehen unterrepräsentierten Sony versuchen ebenfalls, auf sich aufmerksam zu machen.
FX zählt, dass gegenüber dem Vorjahr im Basic-Cable (dem stark von Werbung getragenen Sendern) sieben Serien weniger produziert wurden, bei den Broadcast-Networks fünf, im Premium-Cable (klassische Pay-TV-Sender) eine weniger. Dafür haben die Streaming-Anbieter kräftig aufgedreht und 47 Serien "mehr" hergestellt (93 statt 46).
Generell zeigt die grafische Darstellung (siehe unten) auf, dass es in den letzten Jahren vor allem bei den Streaming-Diensten und im Basic-Cable mehr neue Serien gegeben hat: Immer mehr Medienunternehmen wollen sich hier mit Eigenproduktionen profilieren. Insbesondere bisherige Abspielstationen für Wiederholungen wollen sich mit eigener Serienware in den Fokus der Zuschauer bringen. Die Strategie gilt übrigens ja auch für Europa, wo Sky mehrere Eigenproduktionen ausbrütet (darunter
Angestoßen wurde die Diskussion um die markant zunehmende Serienproduktion vom FX-Chef John Landgraf. Der hatte vor knapp zwei Jahren den Begriff "Peak TV" geprägt. Gemeint ist damit der maximale Ausstoß an (fiktionalen) Serien. Landgraf wollte bei der Vorstellung des Begriffs einerseits die massiv gestiegene Konkurrenz im Fernsehgeschäft herausstellen - sowohl um die Zuschauer, wie auch um das "Talent": Darsteller und Serienschöpfer. Unter anderem nannte er den Markteintritt diverser Kabelsender aber eben auch der Streaming-Dienste als Grund für die Steigerung der Produktionszahlen.
Andererseits argumentierte Landgraf damals auch, dass die zunehmenden Produktionszahlen nicht dauerhaft so bleiben könnten. Wie in einer Blase würden sich die Investitionen der verschiedenen Serienanbieter nicht dauerhaft halten können: Da die Zuschauer nur begrenzte Zeit und Aufmerksamkeit haben würden (und somit die Einnahmen durch Gebühren und Werbeverkäufe begrenzt sind), würden sich früher oder später einige Anbieter zurückziehen müssen und aus dem Geschäft aussteigen.
Damals sprach Landgraf davon, dass aktuell der Höhepunkt einer noch finanzierbaren Serienproduktion erreicht sei - eben "Peak TV". Das wurde zwischenzeitlich nachgebessert, und Landgraf schätzte im Verlauf des Jahres die Anzahl der Produktionen für 2016 auf "etwa 450" - was in diesem Jahr auch eingetreten ist. Im jüngsten Bericht wird nun gemutmaßt, dass aufgrund der aktuellen Serien-Entwicklungen auch im Jahr 2017 noch einmal mehr Serien produziert würden - bis zu 500 - und auch im Jahr 2018 aufgrund des Momentums noch ein Zuwachs drin sein könnte. Die Grundaussage bleibt aber: Sehr bald wird sich dass alles nicht mehr refinanzieren lassen und der Markt wieder schrumpfen.
Als kleine Anmerkung bei den Zahlen kann aber die Beobachtung gemacht werden, dass "die Anzahl der Serien" ein etwas wackeliges Maß für das Wachstum ist. Darin enthalten etwa sind auch "kürzlich hergestellte Importe" bei den Streaming-Diensten - das bedeutet auch mehrere 6-Episoden-Comedy-Staffeln aus Großbritannien. Auch gab es bei vielen Sendern und Anbietern den Trend, geringere Episoden-Zahlen pro Staffel zu ordern. Das senkt das Angebot an "Sendestunden" vermutlich wieder etwas. Allerdings ändert das wohl kaum etwas an Landgrafs Grundthese des gestiegenen Konkurrenzdrucks bezüglich Darstellern und Produzenten. Weil eben auch Importe berücksichtigt werden, und die Zahlen aus inoffiziellen Quellen recherchiert wurden (Nielsen-Quoten, Wikipedia, etc) sind die Daten ohne Gewähr beziehungsweise durch kurzfristiges Bekanntwerden noch veränderlich.
Grafik in besserer AuflösungLeserkommentare
tomgilles schrieb via tvforen.de am 24.12.2016, 14.06 Uhr:
Ich sagte nicht dass alte (US-)Serien besser waren, sie richteten sich vielmehr an eine breite Zielgruppe und unterlagen schon allein aufgrund ihrer überschaubaren Anzahl und der längeren Verwertungskette keinen finanziellen Zwängen, was man ihnen auch ansah. Genre-Fans kamen nur begrenzt zum Zug, zeitweise dominierten klassische Familienserien, später Krimis und besonders gegen Ende der 1990er-Jahre die "Supernatural Fiction" und viele Stoffe ließen sich nur limitiert in Form von B-Movies umsetzen. Spitze Zielgruppen und Freunde unkonventioneller und abgefahrener Stories werden heute besser bedient, aber die Etats der Abosender sind angesichts des exzessiven Wettbewerbsdrucks mitunter stark überstrapaziert. Das Wachstum verläuft im Idealfall organisch, während die en masse produzierten neuen Serien mittels Fremdkapital riskant vorfinanziert oder mit noch mehr schludrigen CGI-Effekten "aufgehübscht" werden, weil die Rahmenbedingungen keine großen Sprünge zulassen.Sentinel2003 schrieb am 23.12.2016, 11.36 Uhr:
Ich liebe Serien!! Von mir aus kann diese "Serienschwemme" noch einige Jahre gehen....tomgilles schrieb via tvforen.de am 22.12.2016, 17.35 Uhr:
Früher hieß es im Qualitäts-Seriengeschäft (ohne Daily-Soaps, Scripted Reality und Telenovelas) ganz generell "Klasse statt Masse", lieber fein herausgearbeitete Geschichten und gründliche Planung als Volldröhnung. Der irre Serienausstoß geht zwangsläufig einher mit schmaler Budgetierung und hohen Abschreibungen, gerade bei den inflationären (wenn auch zielgruppengerechten) US-Serien merkt man dass eine gute Idee nur die halbe Miete ist. Teure Monumentalprojekte aufstrebender Networks und Streamingseiten rechnen sich nicht, sie dienen allein dem Kundenfang und werden üblicherweise unter den Werbeausgaben verbucht. Natürlich geht das Unternehmen damit in Vorleistung.CGI-Effekte statt teurer Locations, Computer-Simulationen statt gediegener Kulissen, schamlose Nachahmerprojekte und mittelmäßige Drehbücher sind unvermeidliche Begleiterscheinungen dieser "Serienflut", die vor allem von provokativen und überzeichneten Sujets lebt. Die Ermüdungserscheinungen werden bald ihren Niederschlag in den Bilanzen finden, internationaler Markenbildung und Serienglobalisierung zum Trotz.Irgendwann wird die auf spitze Zielgruppen zugeschnittene Serienlandschaft im Zuge einer notwendigen Marktbereinigung auf Normalmaß schrumpfen, weil auch im Genreghetto nur gutes Handwerk dauerhaften finanziellen Erfolg verspricht. Was wir jetzt erleben ist das Fernseh-Pendant zur "Dot-Com-Blase" der Jahrtausendwende, wenn auch finanziell wesentlich weniger auf dem Spiel steht.GerneGucker schrieb via tvforen.de am 23.12.2016, 21.09 Uhr:
tomgilles schrieb:Früher hieß es im Qualitäts-Seriengeschäft
(ohne Daily-Soaps, Scripted Reality und
Telenovelas) ganz generell "Klasse statt Masse",
lieber fein herausgearbeitete Geschichten und
gründliche Planung als Volldröhnung.
Der irre Serienausstoß geht zwangsläufig einher
mit schmaler Budgetierung und hohen
Abschreibungen, gerade bei den inflationären
(wenn auch zielgruppengerechten) US-Serien merkt
man dass eine gute Idee nur die halbe Miete ist.
Was hier angedeutet wird - früher seien Serien qualitativ besser gewesen; heute würde nur noch Müll produziert - könnte verkehrter nicht sein. Natürlich gibt es angesichts der Masse an Produktionen auch viel Mist und Mittelmaß, aber vieles, das im Rahmen der heutigen Serienerzeugnisse Mittelmaß ist, wäre im Kontext früherer TV-Serien-Landschaften eine Serie erster Klasse gewesen. Das hängt übrigens nicht nur mit der höheren Gesamt-Budgetierung zusammen, sondern noch mehr mit einer Reihe an dramaturgischen Revolutionen, die es im Sektor der fiktionalen Serien gegeben hat.
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