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Brasilia, die künstliche Retortenstadt, in vier Jahren aus dem Boden des brasilianischen Hinterlandes gestampft, dominiert von Funktionalität und Spannbeton. Kann die kühle Eleganz schön sein? Der traditionsbewusste Europäer ist skeptisch. Auch innerhalb des eigenen Landes gibt es Vorurteile. Doch die Stadt überrascht mit der Monumentalität der Stadtanlage von Lucio Costa und der Leichtigkeit des Entwurfs der einzelnen Bauwerke von Oskar Niemeyer. Sie verbinden sich zu einem einzigartigen Erlebnis von Schönheit und Ästhetik. Sicher, es ist die kühle Ästhetik des 20. Jahrhunderts, die nüchterne Eleganz von Bauhaus, die Funktionalität von Le Corbusier; aber hier scheint die Moderne großräumig zu funktionieren. Niemeyer hat mit Kathedrale und Nationaltheater, mit Parlament und Präsidentenpalast und vielen anderen Gebäuden in der Hauptstadt Brasiliens Orte von kühler Schönheit und Orte der Sammlung geschaffen. Aber kann man in dieser Stadt leben? Es gibt kein gewachsenes und auch kein geplantes Zentrum. Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit und Einkaufen sollten nirgends zusammenwachsen, es sollte keine Atmosphäre entstehen, die alten Städten ihren Charme verleiht. Brasilia ist in Sektoren für alle Lebensbereiche geteilt. Kann man also dort leben? Die Einwohner der Stadt sind davon überzeugt. Sie sollten es wissen. Brasilia ist eine Stadt mit grafischen Strukturen und malerischer Transparenz. Brasilia ist eine Hauptstadt mit zu vielen Autos auf designten Zubringern und zu vielen Favelas ringsherum.
(3sat)
Erstausstrahlung laut SWR-Liste: 15.05.1996
Länge: ca. 15 min.