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Nichts hat das Ruhrgebiet mehr geprägt als die Kohle. Zechen, gestern die Basis für das Wirtschaftswunder, heute subventionierte Industrierelikte. Im Norden des Reviers ist die Gegenwart schon Geschichte. Ein Nebeneinander von dampfenden Schloten und begrabener Arbeit. In Kamp-Lintfort fahren die letzten Kumpel untertage, in Bottrop produziert die Kokerei noch selbst ihre Wolken, auf dem Förderturm in Herne dreht sich keine Seilscheibe mehr. Der Ausstieg aus dem Steinkohleabbau ist beschlossen. Macht die Zeche dicht, gehen nicht nur Arbeitsplätze verloren. Eine Berufsgruppe wird ausgelöscht, das Leben in der Gemeinschaft verschwindet, eine Tradition bricht zusammen. Schon der Urgroßvater hat auf dem Pütt gearbeitet. Industrieruinen suchen Investoren, Bergwerksstädte nach einem neuen Image. Was liegt mehr im Trend als denkmalgeschützte Zechen? Tiefbauschächte aus dem 19. Jahrhundert wandeln sich zu extravaganten Appartementanlagen. Lifestyle einer Generation, die sich dort einrichtet, wo es früher schmutzig war. Schachtanlagen weichen Fortbildungsakademien. Statt Kohle wird Wissen gefördert in wohltemperierter Klimahülle. Nach den Zechen geht es um den Bestand der Kirchen. Heilig Kreuz in Gelsenkirchen, ein Schmuckstück des Backsteinexpressionismus, 1929 eigens für den Zustrom von Bergarbeiterfamilien gebaut, hat keine Gläubigen mehr. Nun steht der Kirchenvorstand da wie die Kumpel auf dem Pütt: Schüppe drauf Glück auf. Die viel gerühmte Solidarität im Revier zerfällt.
(NDR)
Autorin: Martina Müller, Redaktion: Heribert Schwan
Länge: ca. 45 min.