Saint-Juire en Vendée, 1992: Julien Dechaumes, Schlossherr und Bürgermeister, hat Großes vor: Auf einer Wiese mitten im Dorf will er ein Kultur- und Sportzentrum bauen, das einer Kleinstadt wie der seinen alle Ehre machen würde. Dank seiner Verbindungen nach Paris hat der Sozialist Subventionen in großer Höhe bewilligt bekommen. Die Regierung will damit den republikanischen Süden der sonst erzkonservativen Vendée stärken. Dechaumes, der bei den Regionalwahlen verloren hat, hofft dagegen, wegen seines Engagements von seiner Partei für die Parlamentswahlen aufgestellt zu werden. Das Zentrum mit Schwimmbad, Freilufttheater und einer Mediathek soll also sein Aushängeschild werden.Aber es gibt auch zahlreiche Gegner seines Projekts. Wortführer der Kritiker im Dorf ist der Lehrer Marc Rossignol, der die hundertjährige Weide retten will, die mitten auf dem Baugrundstück wächst. Die Schriftstellerin Bérénice Beaurivage - eine Pariserin, wie sie leibt und lebt - setzt mit ihrer Kritik woanders an: Dechaumes, der seit kurzem mit ihr liiert ist, hätte ihrer Meinung nach viel bessere Karriereaussichten in Paris. Die Journalistin Blandine Lenoir interviewt dazu das halbe Dorf, Fürsprecher wie auch Gegner, doch ihr Artikel für ein politisches Magazin wird von der Chefredaktion stark gekürzt und stellt den Lehrer Rossignol in den Mittelpunkt. Auf dem Titelblatt ist dann auch nicht das Architektenmodell abgebildet, sondern der Baum … Schließlich ist es die zehnjährige Tochter des Lehrers, die eine für alle akzeptable Lösung findet.
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"Der Baum, der Bürgermeister und die Mediathek" ist ein selten gezeigter Film von Nouvelle-Vague-Veteran Eric Rohmer, eine ironisch-spielerische Parabel auf die politische Moral. Es geht um Interessenkonflikte, den Gegensatz von Stadt und Land, Alltag und Kultur, Tradition und Moderne und die unerklärlichen Fügungen des Zufalls. Am Beispiel eines ehrgeizigen Dorfbürgermeisters illustriert Rohmer den Streit um die Nutzung öffentlicher Flächen - ein zeitloses Thema, das es immer wieder neu aufzuarbeiten gilt.
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Länge: ca. 105 min.
Original-Kinostart: 10.02.1993 (F)
Cast & Crew
- Regie: Eric Rohmer
- Drehbuch: Eric Rohmer
- Produktion: Françoise Etchegaray, Compagnie Eric Rohmer
- Musik: Sébastien Erms
- Kamera: Diane Baratier
- Schnitt: Mary Stephen
- Ton: Pascal Ribier