Man stelle sich vor: Im Foyer löst man sich eine Kinokarte, eine Platzanweiserin geleitet zum Sessel, geheimnisvoll ertönt ein Gong, das Saallicht erlischt, der Vorhang öffnet sich, die Leinwand füllt sich mit Bildern, und unten links steht plötzlich ein kleiner Mann mit Geige (manchmal sitzt er auch am Klavier) und erzählt, was die Schauspieler sagen und was passiert . . . beim Stummfilm. "Kinoerzähler" war einmal ein richtiger Beruf, und Bernhard Sinkel erzählt in seinem Film, wie ein solcher dem Fortschritt zum Opfer fällt: Der Tonfilm vernichtet seine Existenzberechtigung als Geschichtenerzähler. Zwar hat er in seinem Enkel Paul einen begeisterten Zuhörer, aber der unerschöpfliche Strom wunderbarer Filmgeschichten geht Frau und Tochter auf die Nerven. Selbst das alleinstehende Fräulein Fritsche wendet sich von ihrem langjährigen Liebhaber ab und sucht etwas "Festes". Und dieses Sichere hat in dieser unsicheren Zeit eine SA-Uniform an. Der Kinoerzähler erhofft von der "Nationalen Erhebung" die Rettung der alten Werte, vor allem aber die Wiedereinführung des Stummfilms. Stattdessen wird Herr Theilhaber, der Kinobesitzer, von eben diesen braunen Uniformen aus seinem Apollo-Kino vertrieben und verschwindet spurlos. Der neue Besitzer stellt den Kinoerzähler als Platzanweiser ein; der leidet zwar unter den blechernen Tönen aus den Lautsprechern, ist aber immerhin der Leinwand nahe, wo er nun zum Erstaunen des kleinen Paul nicht nur mehr Zeit verbringt, sondern sich auch dafür reichlich mit Proviant versorgt. Eines Tages passiert das, was man schon immer gefürchtet hat. Salzmann, dem Vorführer, fällt die brennende Zigarette ins Zelluloid: Explosionsartig breitet sich das Feuer aus. Als alle gerettet sind, stürzt der Kinoerzähler zurück in das brennende Kino. Nur er weiß, daß sich noch ein Mensch dort befindet: Im Keller hinter der Leinwand hatte er Herrn Theilhaber versteckt und heimlich ernährt. Brennende Balken stürzen herab, die beiden Männer sind vom Feuer eingeschlossen, und so erzählt der "Kinoerzähler" dem sterbenden Herrn Theilhaber seine letzte Geschichte.
(ZDFtheaterkanal)
Länge: ca. 95 min.
Deutscher Kinostart: 25.11.1993
FSK 6
Cast & Crew
- Regie: Bernhard Sinkel
- Drehbuch: Bernhard Sinkel
- Produktion: Ludwig Waldleitner, Bernhard Sinkel
- Musik: Günther Fischer
- Kamera: Axel Block
- Schnitt: Heidi Handorf