Seit einigen Jahren erfahren Missbrauchsdelikte an Kindern hohe Aufmerksamkeit vor allem durch den boulevardnahen Journalismus. Attraktiv scheint dabei der Grusel, der vom irgendwo im gefährlichen Draußen lauernden Triebtäter ausgeht. Wenn aber die Statistik ausweist, dass neun von zehn Missbrauchstaten weder von Soziopathen noch von Pädophilen begangen werden: wer begeht sie dann? Die in diesem Film ineinander verschränkten Familienporträts aus verschiedenen Regionen und sozialen Schichten Deutschlands versuchen darauf eine Antwort zu geben. Dabei haben "Täter", "Opfer" und "Unbeteiligte" gleichberechtigt das Wort. Dem bequemen Ausweg, die Gefahr und damit das Böse dort zu suchen, wo man selbst und das Vertraute nicht ist, wird auf behutsame Weise die Plausibilität genommen. Vielfältige Strategien von Leugnung, Schuldminimierung und Angriff auf den Sprechenden stehen neben der Auseinandersetzung mit Verfehlung und Verantwortung. Verwandte und Angehörige haben klare Interessen, die sie formulieren und - oft auch gegen das oder die Opfer - vertreten. So entsteht ein Kaleidoskop an Handlungsmustern, die so oder in ähnlicher Form den Umgang mit dem Einbruch des Unaussprechlichen in das eigene Haus dominieren. Einerseits ist es erschreckend, dass offensichtlich die Gefahren innerhalb der eigenen vier Wände größer sind als jene vor der Tür. Andererseits kann nur der Mut zur Sprache das Tolerierbare von der zu sanktionierenden Entgleisung trennen. Nur so ergibt sich eine reelle Chance, dass die Weitergabe des Traumas von einer Generation an die nächste auf Dauer unterbrochen wird.
(Phoenix)
Länge: ca. 90 min.
gezeigt bei: Das kleine Fernsehspiel (D, 1963)
Cast & Crew
- Produktionsfirma: ZDF
- Kamera: Frank Amann, Bernadette Paaßen, Knut Beulich