Grosny, Hauptstadt der kriegsversehrten Republik Tschetschenien, ist eine geteilte Stadt, geprägt von Repression, archaischen Traditionen, zunehmender Islamisierung. Wie lebt es sich dort? Dokumentarfilmer Nicola Bellucci erzählt vom Alltag einzelner Menschen in Grozny. Im Mittelpunkt stehen vier Freundinnen, die unter schwierigen Bedingungen für Menschenrechte kämpfen, eine Gruppe junger Musiker sowie der Besitzer des letzten Blues-Clubs. Die unerschrockenen Frauen dokumentieren schon seit Jahrzehnten mit Kameras die Geschehnisse in und um Grozny. Sie wissen, was es bedeutet, als unabhängige engagierte Frauen in einer islamischen Gesellschaft zu leben. Sie erzählen von ihren Ängsten und Träumen, von Liebesgeschichten, Zwangsheiraten und den alltäglichen Auswirkungen der staatlichen Repression. Die Folgen der beiden letzten Kriege sind unübersehbar. Die Menschen sind traumatisiert. Sie leben in einer gespaltenen Gesellschaft, in einem Niemandsland, zwischen Krieg und Frieden, Repression und Freiheit, Moderne und archaischen Sitten. Der letzte Blues-Club, der noch regelmäßig Bands mit westlich orientierter Musik beherbergt, steht vor dem Aus. Der Club-Betreiber, eine junge Sängerin und die Musiker leiden wie viele andere unter der religiösen und staatlichen Knebelung. Geschickt rekonstruiert Nicola Bellucci Vergangenheit und Gegenwart dieser traumatisierten Region, indem er abwechselnd Archiv-Videomaterial, Manifestationen des gegenwärtigen Neofaschismus und den Alltag der Menschen zeigt. Bellucci ruft so die Verwüstungen durch die Kriege wieder ins Gedächtnis und lässt die neu erbauten Bürotürme und monumentalen Repräsentationsbauten wie Grabsteine wirken. Wenn keine bessere Zukunft für Grozny in Sicht ist, dann sollte zumindest jeder über die Ereignisse Bescheid wissen, die dazu geführt haben.
(3sat)
Länge: ca. 105 min.
Deutsche TV-Premiere: 26.02.2018 (3sat)
Cast & Crew
- Regie: Nicola Bellucci
- Drehbuch: Nicola Bellucci, Lucia Sgueglia
- Produktion: Frank Matter, Soap Factory Productions
- Ton: Ansgar Frerich, Pedro Haldemann, Olivier Jeanrichard