Der Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller Hans Zender (1936-2019) hatte sich 2010 aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen und lebte mit seiner Frau Gertrud Zender in Meersburg am Bodensee im historischen, sagenumrankten "Glaserhäusle". 2018 gelang es dem Autor Max Nyffeler und dem Filmemacher Reiner E. Moritz, Hans Zender, der damals schon gesundheitlich angegriffen war, zu einer Rückschau über sein langes und erfolgreiches Musikerleben zu bewegen. Mehrere Tage sprach Hans Zender über Höhepunkte seiner Laufbahn, interpretierte ein Rollbild aus seiner Sammlung japanischer Kalligraphien und beklagte, dass "unsere Schulbildung, ausschließlich an wissenschaftlichem Positivismus und wirtschaftlichem Nutzdenken orientiert, sich als unfähig erweist, eine Aufgabe zu übernehmen, welche in den älteren Generationen noch die bürgerliche Familie erfüllt hat: Große Musik als zentrales Phänomen des schöpferischen Menschengeistes ehrfurchtsvoll zu pflegen". Als Komponist konnte Hans Zender auf ein umfangreiches Werk zurückblicken, das alle Gattungen umfasste. Die schöpferische Auseinandersetzung mit den eigenen europäischen Traditionen verbindet sich mit Anregungen aus den fernöstlichen Kulturen. Mit seiner komponierten Interpretation von Schuberts "Winterreise" gelang ihm ein Hit mit mehr als 500 Aufführungen weltweit. Sein Repertoire als Dirigent reichte von Bach bis zur Moderne. Seine Dirigentenkariere begann er als Chefdirigent am Theater Bonn. Es folgten Engagements an der Oper Kiel und der Hamburgischen Staatsoper. Als Chefdirigent des Radiosinfonieorchesters Saarbrücken, ständiger Gastdirigent am Théâtre de la Monnaie in Brüssel und beim damaligen SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg trat er erfolgreich für die zeitgenössische Musik ein. Mit dem Ensemble Modern begründete Zender 1993 die Konzertreihe "Happy New Ears", in der zeitgenössische Werke im Dialog vorgestellt wurden. Seine Reflexionen über Musik und Musikleben sind 2004 in dem Buch "Die Sinne denken" erschienen. Noch 2019 legte er als philosophische Schlussbilanz, schon mit dem Blick des Abschied Nehmenden, einen Essayband mit dem Titel "Mehrstimmiges Denken" vor. In diesem bewegenden Filmportrait kommen neben Hans Zender seine Frau Gertrud Zender, der Komponist und Freund Helmut Lachenmann und sein Kompositionsschüler Frank Gerhardt zu Wort. Es entstand ein Film reich an Musik von Mozart bis Messiaen, der nebenbei auch Einblicke in den Schaffensprozess des Komponisten gewährt.
(SWR)
Länge: ca. 55 min.
Deutsche TV-Premiere: 11.06.2020 (SR)