Am 27. Mai 1942 verübten tschechische Widerstandskämpfer in Prag ein Attentat auf den "Stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren" Reinhard Heydrich, an dessen Folgen der NS-Verbrecher einige Tage später starb. Von Heydrichs Anfängen in Mitteldeutschland ausgehend, verfolgt der Film dessen NS-Karriere im Spiegel des Schicksals von Menschen, die zu seinen Opfern wurden. Ob für seinen grausigen Weg vielleicht nicht die NS-Ideologie und eine fatale Entmenschlichung prägender waren als das Gerücht, er habe jüdische Vorfahren, das vorzugsweise seine Neider aus den eigenen Reihen streuten, ist eine der Fragen, denen die Dokumentation nachgeht. Im Juni 1932 erhält die NS-Führung in München einen brisanten Brief. Absender ist der Gauleiter von Halle-Merseburg. Ein hoher Funktionär sei Jude! Der Name des Mannes: Reinhard Heydrich, Geheimdienst-Chef der SS. Ein Verbrecher, der verantwortlich ist für den Mord an Millionen von Juden, soll selbst jüdischer Herkunft gewesen sein? Der Aufstieg des in Halle geborenen Reinhard Heydrich begann 1931, als rechte Hand Himmlers und Begründer des Sicherheitsdiensts (SD). Zuvor lief es nicht gut für ihn: Nach zehn Jahren Dienst hatte ihn die Marine unehrenhaft entlassen, wegen einer Frauengeschichte. Dabei hatte er schon mit fünfzehn den Wunsch, Soldat zu werden. 1919 trat er in die Reihen des berüchtigten Freikorps Maercker ein, um in Halle und Leipzig Kommunisten zu jagen. Zwanzig Jahre später war der Violinvirtuose und Leistungssportler Chef des Reichssicherheitshauptamts - einer Superbehörde des Schreckens mit 60.000 Mitarbeitern. Mit diesem Terror-Instrument wurde er zum Mörder tausender Menschen in ganz Europa. Auf der Wannsee-Konferenz plante er federführend die systematische Vernichtung aller Juden. Kurz darauf wurde der Massenmörder selbst zum Opfer. Tschechische Widerstandskämpfer töteten Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 bei einem Attentat in Prag. Trotz seines rasanten Aufstiegs lebte der NS-Karrierist mit der Angst vor dem Gerücht, das ihn seit Kindstagen verfolgte: Er habe jüdische Vorfahren! Im deutschen Verbrecherstaat hätte damit auch ein überzeugter Nazi wie Heydrich schlechte Karten gehabt. Sollte Hitler etwa einem "Agenten des Weltfeinds" die Sicherheit der Partei anvertraut haben? Die obersten NS-Ahnenforscher wurden mobilisiert und stellten Heydrich den Persilschein aus. Doch der Verdacht war zählebig und machte ihm offenbar immer wieder zu schaffen. Und das einem Mann, der ohne Frage zu den Hauptschuldigen der Vernichtung des jüdischen Volkes gehört! Von Heydrichs Anfängen in Mitteldeutschland ausgehend, verfolgt der Film dessen NS-Karriere im Spiegel des Schicksals von Menschen, die zu seinen Opfern wurden. Ob für den Weg, den Reinhard Heydrich beschritt, nicht NS-Ideologie und eine fatale Entmenschlichung weit prägender waren als ein Gerücht, das vorzugsweise seine Neider aus den eigenen Reihen streuten, wird eine der Fragen sein, auf welche der Film eine Antwort sucht. Historiker, Kenner der Familiengeschichte und Zeitzeugen kommen zu Wort, an dramaturgisch wichtigen Stellen runden sparsam eingesetzte Inszenierungen das Gesamtbild ab. Gedreht wurde in Halle, Berlin, London und Tel Aviv.
(ARD alpha)
Länge: ca. 45 min.
Deutsche TV-Premiere: 19.11.2006 (MDR)
gezeigt bei: Geschichte Mitteldeutschlands (D, 1999)
Cast & Crew
- Drehbuch: Lew Hohmann