Thomas Müntzer geißelte als erster den Ablasshandel der katholischen Kirche und führte die Gottesdienste in deutscher Sprache ein. Doch nicht er, sondern Martin Luther wurde zur Ikone der Reformation. Anfangs fühlten sie sich als "Brüder im Geiste", am Ende stießen sie üble Schmähungen gegeneinander aus. Luther ging mit seinen 95 Thesen als großer Reformator in die Geschichte ein. Müntzer, um 1489 in der kleinen Harzstadt Stolberg geboren und 1525 bei Mühlhausen hingerichtet, gilt bis heute als deren wenig populärer Außenseiter. Warum fällt sein Nachruhm deutlich geringer aus als der Luthers und scheint aus mehrfachem Grund getrübt? Liegt dies an Müntzers Radikalität - schließlich wurde er im Laufe seines Lebens immer kompromissloser, ja fanatisch? Wie wurde aus dem Mann, der als fortschrittlicher Kirchenkritiker begann, selbst ein Dogmatiker, der am Ende Tausende Bauern und Handwerker in die Schlacht bei Frankenhausen und damit in den Tod führte? Diesen Fragen geht der Film nach. Gedreht wurde an authentischen Orten, so in Allstedt, wo Müntzer seine Reform des Gottesdienstes auf den Weg brachte. Bis zu 2.000 Menschen kamen damals, um ihn in der Johanniskirche predigen zu hören, vom Evangelium, das Christus "einer jeden Kreatur gewidmet" hat, "unverblümt" und "einem jeden in seiner Sprache". Müntzer-Gegner wie der Mansfelder Graf Ernst II. waren empört. Seine Idee vom "wahren Glauben" in einer "Gemeinschaft von Auserwählten" hielt Thomas Müntzer am Ende nur noch mit Gewalt für realisierbar. In seiner "Fürstenpredigt" von 1524 beklagte er die "arme zerfallende Christenheit" und forderte die Rückkehr zu einem gottgläubigen Leben. Den Fürsten bot er an, sich anzuschließen, andernfalls werde sie das Volk entmachten. So machte er sich Feinde auf allen Seiten: bei den Fürsten, die um ihre Macht bangten, beim Klerus, dem er an die Pfründe ging. Sogar viele Reformatoren wandten sich von diesem radikalen und kompromisslosen Geist ab - allen voran Martin Luther, der ihn schließlich als "Satan von Allstedt" beschimpfte. Der Film zeigt, wie aus dem jungen Priester, der nach den Wurzeln der sozialen Not und Ungleichheit suchte, ein zorniger Mann wurde, der sich am Ende gar selbst zum Propheten erklärte, wie aus dem hoffnungsvollen Aufbruch ein verhängnisvoller Untergang wurde - für Tausende Bauern und Handwerker, aber auch für Müntzer selbst.
(hr-fernsehen)
Länge: ca. 45 min.
Deutsche TV-Premiere: 31.10.2010 (MDR)
gezeigt bei: Geschichte Mitteldeutschlands (D, 1999)
Cast & Crew
- Drehbuch: Matthias Schmidt, Dirk Otto
- Produktionsauftrag: ARD, MDR