"Zeit ohne Eltern" erzählt die Familiengeschichte von Jana Birner und Franziska Kriebisch, die in der DDR aufgewachsen sind. Sie teilen die traumatische Erfahrung, von ihren Eltern von einem Tag auf den anderen getrennt worden zu sein, als diese von der Stasi verhaftet wurden. Während Janas Eltern 1982 mit den Kindern von Thüringen aus einen Fluchtversuch über die Grenze wagten und gefasst wurden, wurden Franziskas Eltern 1984 in ihrer Wohnung in Schwerin verhaftet, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Jana und Franziska waren damals beide zehn Jahre alt. Jana kam mit ihrem Bruder in ein Kinderheim, Franziska wurde mit ihrem Bruder den Großeltern übergeben. Nach mehreren Jahren wurden die Eltern zwar aus der Haft entlassen, doch ein normales Familienleben war nicht mehr möglich. Die Kriebischs wurden von der Bundesrepublik freigekauft. Bald darauf trennten sie sich. Jana, ihr Bruder und ihre Eltern lebten bis zum Mauerfall weiter hinunter Observierung durch die Stasi in der DDR. Über ihre jeweiligen Erlebnisse wurde zwischen Eltern und Töchtern nie gesprochen. Celia Rothmund zeichnet in ihrem dramaturgisch wie visuell schnörkellosen Film die Ereignisse des Tages der Trennung nach und macht deutlich, wie sich dadurch das Leben der Kinder für immer veränderte. Dabei verzichtet die Autorin auf Archivmaterial und vertraut ganz auf die Gespräche, in denen der schmerzhafte Prozess der Erinnerung spürbar wird, sowie auf Aufnahmen von wichtigen Schauplätzen. Bei ihrer Recherche sprach sie mit 20 Familien, die wegen eines Ausreiseversuchs auseinander gerissen wurden. Sie stellte fest, dass die Entwicklung bei allen Familien nach dem gleichen Muster ablief: "Die Ehen der Eltern gingen in die Brüche, und die Kinder brachen früh den Kontakt zur Familie ab. Mich interessierte, was sich in der Gefühlswelt jedes Einzelnen damals abspielte und wie die Zeit heute noch Spuren im Leben aller hinterlässt. Durch die Erlebnisse während der Haft haben sich die Rollen zwischen Eltern und Kindern plötzlich verschoben. Was passiert, wenn die Eltern plötzlich schutzbedürftig sind und die Kinder die Verantwortung übernehmen sollen?" Celia Rothmund wurde 1974 in Freiburg im Breisgau geboren. Von 1995 bis 2001 studierte sie Medienkunst/Film und Kunstwissenschaften an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Von 2002 bis 2005 absolvierte sie ein Postgraduiertenstudium Film und Fernsehen an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Mit dem Diplomfilm "Zeit ohne Eltern" schloss Celia Rothmund nach der Realisierung von Kurzfilmen und dem ersten langen Film "Eine Reise zurück" ihr Studium ab. "Zeit ohne Eltern" wurde auf den Hofer Filmtagen 2005 uraufgeführt, lief 2006 im Wettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis und wurde bei der Cologne Conference und dem Festival Sehsüchte in Potsdam gezeigt.
(3sat)
Länge: ca. 65 min.
Cast & Crew
- Regie: Celia Rothmund