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"Kindkind": arte zeigt skurrile Krimi-Kunst à la "Twin Peaks"
Der Kulturkanal arte hat sich bereits seit einigen Jahren einen guten Ruf, nicht nur als Sender mit einem anspruchsvollen Filmangebot, sondern auch für ambitionierte internationale Serienproduktionen fernab des Mainstreams erworben. Mit seiner jüngsten Eigenproduktion in diesem Bereich dürtfe er jedoch alle bisher gezeigten Serien locker an Skurrilität überbieten:
Dumont erhielt in Cannes für seine Kinofilme "Das Leben Jesu", "Humanität" und "Flandern" bereits mehrere wichtige Auszeichnungen. Wie diese spielt seine erste Fernsehserie in seiner Heimat, im zum Norden Frankreichs gehörenden Teil Flanderns. Dort lebt auch die Titelfigur, ein kaum zwölfjähriger Junge, der von allen nur Kindkind genannt wird und dessen Eltern einen Bauernhof betreiben. Da es für Kinder in der ländlichen Einöde nicht viel zu tun gibt, werfen er und seine Freunde am liebsten Knallkörper in Vorgärten oder prügeln sich ohne Anlass. Abwechslung kommt in den tristen Alltag, als die Kinder beobachten, wie die Polizei eine Kuh mit einem Hubschrauber abtransportieren lässt. In dem Tier wird der zerstückelte Körper einer Frau gefunden, lediglich der Kopf fehlt. Während der Chef der örtlichen Gendarmerie Van der Weyden (Bernard Pruvost) und sein Assistent Carpentier (Philippe Jore) noch rätseln, wie die Leichenteile in den Magen des vegetarischen Tiers gekommen sind, wird schon die zweite Leiche in einer anderen Kuh gefunden...
Obwohl Dumont durch seine Filme eher als Misanthrop und Pessimist gilt, ist "Kindkind" vom Genre her am ehesten als Komödie einzuordnen. Das Lachen bleibt einem allerdings meist eher im Hals stecken, wenn der unter starken mimischen Ticks leidende Van der Weyden die Verdächtigen verhört. Auch der von Alane Delhaye gespielte "Titelheld" weckt wenig Sympathie: Zu schroff ist das Verhalten des Jungen mit der schiefen Nase und der Hasenscharte. Lediglich in seinem Verhalten gegenüber seiner besten Freundin Eve (Lucy Caron) zeigt er Empathie und Zärtlichkeit. Die Beziehung zwischen den beiden ungleichen Kindern liefert dann auch regelmäßig die warmherzigsten Szenen der Serie.Über allem schwebt nicht nur eine unheilvolle Atmosphäre, es wird auch philosophisch: Die Ermittler fühlen sich angesichts der Ereignisse an Émile Zolas Romanklassiker "Die Bestie Mensch" erinnert, die dörfliche Scheinidylle wird zur Hölle auf Erden.
Die von arte France in Auftrag gegebene Miniserie, die stilistisch eher an einen europäischen Independentfilm erinnert als an eine herkömmliche TV-Produktion, ist sicherlich nichts für jedermann. Aber wer sich schon immer einmal gewünscht hat, Lars von Trier hätte eine Folge von "Twin Peaks" inszeniert, dürfte hier auf seine Kosten kommen. Schade nur, dass arte sie in Deutschland nur synchronisiert zeigt - durch den seltsam klingenden Dialekt der "Sch'tis" hätte sie wahrscheinlich noch an Skurrilität gewonnen. Der Titel "Kindkind" ist übrigens eine etwas eigenwillige Übersetzung des Originaltitels "P'tit Quinquin", der aus einem bekannten Schlaflied der Region stammt.
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