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Es ist der 8. Januar 2005, ein fröhlicher Abend, Jasmin besucht das Worldcup-Skispringen im hessischen Willingen und fährt mit dem Nachtbus nach Hause. An der gleichen Station steigt ein Mann mit ihr aus, er folgt ihr. Nur wenige Meter vor der Haustür schlägt er sie von hinten brutal nieder, reißt sie ins Gebüsch, würgt und vergewaltigt sie. Nach wenigen Minuten ist alles vorbei. Doch alles ist anders. "Am Anfang habe ich einfach nur funktioniert, wie ein Hamster im Laufrad, der einfach weiterläuft", sagt Jasmin. Sie erstattet Anzeige, doch der Mann wird nie gefunden, die Akte nach eineinhalb Jahren geschlossen. Acht Jahre später, Jasmin ist heute 27, versucht sie den Täter über Facebook zu finden. Sie will endlich einen Schlussstrich ziehen. Petra, 46, ist vor kurzem ins Frauenhaus geflüchtet. Immer wieder ist es in ihrer Ehe zu Gewalttätigkeiten gekommen. Nun hat sie eine Strafanzeige gegen ihren Ehemann wegen mehrfacher Vergewaltigung gestellt. Die polizeilichen Ermittlungen laufen, zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird. Für Petra ist diese Unsicherheit unglaublich schwierig. Sie hat Angst davor, dass ihr Mann, wenn er von der Anzeige erfährt, vor ihrer Haustür stehen wird. Doch für sie gibt es kein Zurück mehr. "Dieser Mann muss endlich einsehen, dass er eine Straftat begangen hat", sagt Petra. Keine Sekunde bereue sie die Anzeige. Endlich habe sie es geschafft, auch dank der Betreuung von verschiedenen Hilfseinrichtungen. Petra will kein Opfer mehr sein. Tina hat mit 19 eine kurze Beziehung, in der es immer wieder zu Gewalttätigkeiten kommt. Danach verdrängt sie erst einmal alles. Doch Jahre später wird sie nachts von zwei Unbekannten neben einer Telefonzelle brutal vergewaltigt. Das ruft die bis dahin verdrängten Erinnerungen aus der früheren Beziehung wieder hervor. Viele Jahre lang verfolgen sie die grausamen Bilder, sie hat Flashbacks, Panikmomente und Depressionen. "Nach außen habe ich zwar funktioniert, meine Ausbildung gemacht, einen guten Job gefunden, mit Freunden etwas unternommen, aber innerlich war ich fast zerstört", sagt Tina heute. Erst nach zehn Jahren und einer erfolgreichen Therapie kann sie wieder ihre Lebensfreude zurückgewinnen. Heute, mit 37, geht es ihr gut, sie hat einen Partner und zwei kleine Kinder, und sie engagiert sich öffentlich gegen Gewalt gegen Frauen. Jasmin, Tina und Petra stehen exemplarisch für viele Opfer sexueller Gewalt. Eine repräsentative Untersuchung des Bundesministeriums für Familie hat ergeben, dass fast jede siebte Frau über 16 Jahren in Deutschland sexuelle Gewalt erlebt hat, das heißt Vergewaltigung oder versuchte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Die Täter sind Unbekannte, viel häufiger aber der Ehemann, Nachbar oder Freund. Oft wird keine Anzeige erstattet, aus Angst, Scham oder Schuldgefühlen oder aus Rücksicht auf die Kinder. Nur fünf Prozent der Opfer machen eine Anzeige bei der Polizei. Doch auch dann kommt es selten zu einem Prozess und einer Verurteilung, weil oft Aussage gegen Aussage steht. In der "37°"-Sendung brechen Jasmin, Tina und Petra ihr Schweigen. Ihre Erfahrungen zeigen, welche tiefgreifenden Auswirkungen sexuelle Gewalt auf ihr Leben hat und welchen Klischees, Vorurteilen und "Vergewaltigungsmythen" sie begegnen.
(ZDF)