Deutsche TV-Premiere: 05.01.2018 (WDR)
Das Ruhrgebiet ist in vielerlei Hinsicht "auf Kohle gebaut". Der Bergbau hat über viele Jahrzehnte die Landschaft und die Menschen geprägt, ihre Mentalität und Alltagskultur. Als im Dezember 2018 die letzten Tonnen Steinkohle gefördert und die letzten beiden Zechen geschlossen wurden, ging ein großes Kapitel der Industriegeschichte zu Ende - und noch viel mehr. Wie fühlt sich der Abschied von der Kohle an? Um das ganz hautnah mitzuerleben, haben die Filmemacher Werner Kubny und Petra Neukirchen ab Herbst 2015 einige Bergleute der Zeche Auguste Viktoria in Marl über Wochen bis zur Schließung ihres Standorts begleitet. Sie haben sie an ihren Arbeitsplätzen beobachtet, im Umgang mit aktuellster Hightech, die bald nur noch exportiert werden kann. Im Umgang miteinander, in der besonderen Atmosphäre aus Kameradschaft und Solidarität, die sie alle beschwören, und in ihrem persönlichen Umgang mit dem Gedanken an den Abschied. Dazu gehört auch die Welt über Tage, die gemeinsame Freizeit, die Welt aus Nachbarschaft und Hilfsbereitschaft, die auch mit dem Bergbau verbunden ist und oftmals nur noch als Erinnerung existiert. Parallel dazu schlägt der Dokumentarfilm mit eindrucksvollem Archivmaterial und den Erzählungen von Akteuren historisch den Bogen von den 1950er-Jahren, als der Bergbau mit der Montanunion zur Keimzelle eines geeinten Europas wurde und die Kohleförderung ihren Höhepunkt erreichte, bis zum endgültigen Aus. Ehemalige Bergleute erinnern sich an die Arbeitsbedingungen unter Tage in der Zeit, als der Bergbau der Motor des bundesdeutschen Wirtschaftswunders war und man im Ruhrgebiet mit harter und oftmals gefährlicher Arbeit viel Geld verdienen konnte. Sie erzählen auch vom Schock der Kohlekrise Ende der 1950er-Jahre und von den ersten sozial noch weitgehend ungeordneten Zechenschließungen, von Streiks und Demonstrationen im Ruhrgebiet und in Bonn in den 1960er-Jahren. In dieser Situation wurde der Bergbaukonzern RAG gegründet, als Dachorganisation des deutschen Steinkohlebergbaus, deren wesentliche Aufgabe es war und ist, die permanente Reduzierung der Standorte sozial abzufedern oder - wie es ein ehemaliger Verantwortlicher der RAG ausdrückt -, dafür zu sorgen, dass niemand "ins Bergfreie fällt". Ehemalige und aktive Betriebsräte lassen die vielen Kämpfe der Bergleute um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze lebendig werden, die Proteste, Menschenketten und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen, die letztlich doch nicht verhindern konnten, dass die Bundespolitik die Abschaffung der Kohlesubventionen beschloss und das endgültige Aus des Steinkohlebergbaus für Ende 2018. Der Film bleibt aber nicht beim Abschied stehen. Er geht auch an die Orte, in denen die Zukunft nach dem Bergbau schon längst begonnen hat. Er zeigt, welch vielfältiges und schwieriges Erbe die Kohle hinterlässt: "Ewigkeitsaufgaben" wie die Wasserhaltung, Chancen wie den Transfer und die Weiterentwicklung von Know-how im Nachbergbau, Herausforderungen bei der Neubelebung ehemaliger Zechenstandorte. Und natürlich die Industriekultur, in der sich die Erinnerung an die Vergangenheit und neue Möglichkeiten von Kultur und Freizeit treffen, und die auf eine neue Art das Ruhrgebiet unverwechselbar machen soll.
(3sat)
siehe auch: Der lange Abschied von der Kohle (D, 2018)
Cast & Crew
- Regie: Werner Kubny, Petra Neukirchen
- Drehbuch: Werner Kubny