Frühlingserwachen

Ein Knabe von elf Jahren betrat mit seinem Vater einen Apothekerladen. „Heil Hitler“ grüsste er, wie es üblich war im deutschen Alltag, doch niemand beantwortete seinen Gruß, und der Vater verwies ihn: „Das sagt man jetzt nicht mehr“. Das war im April 1945. Von da an begannen in Braunschweig die Nachkriegsjahre unter Kontrolle der britischen Militärbehörde.
Peter Voigt berichtet davon aus eigenem Erleben – Existenzzwänge und Freiheiten jener Nachkriegs- und Nachnazizeit in der ausgebrannten Stadt Braunschweig. Der Autor versetzt sich in seine Jugendjahre, erinnert konkrete Episoden, lakonisch genau – die Wahrnehmungen eines jungen Gemüts, offen für jede Begegnung auf einem chaotischen Feld nach dem Inferno.
Die Bilder zeigen die Orte der Episoden, im heutigen Zustand – das Stadtviertel mit den alten Häusern und mit solchen, die damals noch nicht gebaut waren, die Luftschutzbunker, das stolze Gymnasium, damals noch bombenverwüstet, die restaurierten gotischen Fassaden. Kulissen der Erinnerung, aufgenommen von Kameramann Christian Lehmann in der Morgenfrühe, wenn die Straßen und Plätze menschenleer und unheimlich sind.
Hunger, Kälte und Totschlag, Hinrichtungen durch den Strang und Nazigeist, der nicht vergehen will: Meldungen aus der örtlichen Zeitung jener Tage, die den arglosen Jugenderinnerungen einen schaurigen Hintergrund geben.
Das alles liegt mehr als fünfzig Jahre zurück, und es endet mit der Währungsreform, Juni 48. Mit dem neuen Geld, der D-Mark, war diese Zeitspanne zu Ende; „perdu, storniert“, wie sich der Autor erinnert.