Japan kämpft in diesen Tagen mit den Folgen einer katastrophalen Natur- und Nuklearkatastrophe. Japan stieg nach der totalen und in Hiroshima und Nagasaki nuklearen Zerstörung aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs nach 1945 zu einer der führenden Weltwirtschaftsmächte auf. Politisch und ökonomisch befand sich das Land im Schlepptau der USA, eingebettet in die Frontenideologie des Kalten Krieges. Zum einen musste Japan die Frage der eigenen Souveränität beantworten, zum anderen seine Position in der Weltpolitik neu bestimmen. Der Fernsehzuschauer kann derzeit täglich die schwierigen Informationsrituale der Presseerklärungen durch den japanischen Regierungschef und seinen Pressesprecher verfolgen. Einer der Vorgänger des derzeitigen Premierministers Naoto Kan, Shinzo Abe, der 2006 die Staatsgeschicke übernahm, war der erste Regierungschef Japans, der den Krieg nicht mehr selbst miterlebt hatte. Binnen eines Jahres setzte er gegen vielfachen Widerstand Maßnahmen durch, die die Verfassungsgrundsätze des Landes infrage stellten, darunter den Artikel 9 der 1946 von der amerikanischen Besatzungsmacht ausgearbeiteten Verfassung. Dieser verbietet unter anderem die Kriegsführung und die Androhung militärischer Gewalt. Er steht für die moralische Erneuerung des Landes in der Nachkriegszeit und die pazifistische Grundhaltung Japans. 1945 beginnt in Japan eine Ära des Umbruchs: Nach Auflösung der Armee und Schaffung einer Militärgerichtsbarkeit für Kriegsverbrecher erfolgt der Wiederaufbau des Landes und, damit einhergehend, eine Neuausrichtung in fast allen Bereichen. Nur der Kaiser bleibt unangetastetes Staatssymbol und Gegenstand der Verehrung. In den 50er Jahren kommt es mit dem rasanten Wirtschaftsaufstieg und durch die Schaffung der japanischen Verteidigungskräfte zu einer Schwächung der pazifistischen Grundhaltung. Heute besitzt das Land eine 250.000-köpfige Armee und den viertgrößten Verteidigungsetat der Welt. Die japanische Öffentlichkeit war bis zur Katastrophe vom März 2011 gespalten zwischen wachsendem Souveränitätsstreben auch in militärischer Hinsicht und Wahrung der nach den Kriegskatastrophen für wesentlich erachteten pazifistischen Einstellung. Artikel 9 der Verfassung, die Rolle des Kaisers und die Position der Armee sind drei miteinander eng verquickte Aspekte, die die Widersprüche der japanischen Gesellschaft verdeutlichen. Heute hat die japanische Gesellschaft Probleme zu lösen, die die ideologischen Diskussionen bezüglich Militär und Aufrüstung als sehr sekundär erscheinen lassen.
(arte)
Länge: ca. 90 min.
Deutsche TV-Premiere: 23.09.2009 (arte)
gezeigt bei: zeit.geschichte (A, 2011)
Cast & Crew
- Regie: Kenichi Watanabe