In der gesamten Bilderproduktion von Leonardo da Vinci fällt auf, wie wenig Gemälde - nach Expertenschätzungen 16 bis 20 - der Künstler im Vergleich zu den unzähligen Zeichnungen und zu den 6.000 Skizzen hinterließ. Da Vinci war nicht nur Maler, sondern auch Ingenieur, Maschinenerfinder, Anatom, Dichter, Botaniker und Organisator von Festlichkeiten, was die Vermutung nahelegt, die Malerei sei für ihn irgendwann zweitrangig geworden. Mehrere seiner Gemälde blieben unvollendet, so dass sich die These erhärtete, das Allroundtalent habe nur zum Zeitvertreib gemalt. Die Verkennung seines malerischen Schaffens beruht auf einer fragmentarischen Sichtweise, die seinem Gesamtwerk keineswegs gerecht wird. Durch die Gegenüberstellung von Zeichnungen und Gemälden erforscht die Dokumentation da Vincis Verhältnis zur Malerei. Die erstaunliche Vielfalt seines Wirkens täuscht, denn hinter dem Facettenreichtum steht der unverbrüchliche Wille, die Welt zu verstehen. Für da Vinci ist die Malerei Kulminationspunkt allen Suchens, der Abschluss eines langen Experimentierens und Reflektierens, die Entfaltung der komplexen Realität im Pinselstrich des Künstlers. Jüngste historiografische und wissenschaftliche Forschungen belegen die Entstehungsgeschichte der Werke und den künstlerischen Schaffensprozess. So ist erwiesen, dass da Vinci seine Bilder jahrelang unermüdlich weiterbearbeitete. Zeichnung, Farbe und die letzten Glasurschritte wurden so lange verfeinert, bis die Konturen verschwanden und die Figuren im Raum lebendig wurden. Da Vincis Gemälden wohnt eine Bewegung inne, als geriete etwas Lebendiges ins Schwingen. Weit mehr als nur ästhetischer Vorgang oder Darstellung, ist die Malerei das einzige Mittel, um die subtile Verbindung zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, zwischen Mensch und Weltall auszudrücken, so etwa im himmelwärts zeigenden Finger oder im flüchtigen Lächeln der leonardischen Figuren als Widerhall des Universums. Mit seiner wunderbaren Gabe, Komplexes in einem Pinselstrich zusammenzufassen, vermittelt der Meister dem Betrachter das Gefühl, eins mit der Welt zu sein. Wer kann sich dem entziehen?...
(arte)
Länge: ca. 52 min.
Deutscher Kinostart: 27.10.2019
Deutsche TV-Premiere: 05.07.2020 (arte)
Cast & Crew
- Regie: Sandra Paugam