Auch wenn dieses Monumentalwerk der französischen Literatur heute fester Bestandteil des kollektiven Bewusstseins ist, sind Umfang und Tragweite den meisten unbekannt. Die langsam, kontemplativ erzählten Romane schöpfen in weiten Teilen aus dem Leben ihres Verfassers. Neben Prousts sozialer Herkunft und seinen familiären Beziehungen zeigt der Dokumentarfilm vor allem den Einfluss von Prousts Jugendjahren auf sein späteres Leben. Seine regelmäßigen Besuche der Pariser Salons und der höheren Gesellschaft trugen ihm früh den Ruf eines mondänen Dilettanten ein, wovon er sich erst nach Erscheinen der ersten Bände von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" lösen konnte. In seinem 1952 posthum erschienenen Roman "Jean Santeuil" schildert er das Leben eines schwärmerischen, literaturbessenen jungen Mannes im mondänen Paris am Ende des 19. Jahrhunderts. In seinen Schriften nahm Proust auch zur Dreyfus-Affaire Stellung. Als einer der Ersten verbreitete er eine Bittschrift für den des Hochverrats angeklagten französischen Artillerie-Hauptmann, die er von Anatole France unterzeichnen ließ. Doch Marcel Prousts Leben war auch das eines Fantasten, der sich trotz seiner angegriffenen Gesundheit vor Liebe verzehrte - einer meist unerfüllten, da unmöglichen Liebe. Seine in der damaligen Zeit und in Anbetracht der herrschenden Konventionen der Gesellschaft nicht lebbare Homosexualität durchzieht unterschwellig das gesamte Werk. Manche sehen in Albertines Liebesgeschichte die Transposition seiner Leidenschaft für seinen Fahrer und späteren Privatsekretär Augustin, der bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. In seinen letzten Lebensjahren zog sich Marcel Proust vom öffentlichen Leben völlig zurück und verwandte die ihm verbleibende Zeit auf die Fortführung und Vollendung von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit".
(arte)
Länge: ca. 65 min.