Das "Bon Marché", im Jahr 1838 eröffnet und ab 1848 von Aristide Boucicaut übernommen und ausgebaut, ist das erste Warenhaus, das seine Pforten einer neuen Pariser Bourgeoisie öffnet. Es ist mehr als nur ein Geschäft und spielt sogar eine wesentliche Rolle bei der Umstrukturierung der französischen Gesellschaft. Das "Bon Marché" bringt ein neues soziales Profil hervor: die Kundin, eine offensichtlich von den häuslichen und ehelichen Zwängen befreite Frau, die sich gerne von einer das unstillbare Verlangen nährenden Zerstreuung verführen lässt. Aber diese Verzauberung hat auch ihre Kehrseiten. So macht sich die Kleptomanie als "Frauenkrankheit" breit. Doch was verändert die Erfindung des Kaufmanns Aristide Boucicaut? Frauen können ohne Begleitung das Haus verlassen, um einkaufen zu gehen. Ein neuer Beruf für Frauen entsteht: die Verkäuferin. Standardgrößen werden eingeführt und damit die weiblichen Rundungen stereotypisiert. Die Mode wechselt zu jeder Jahreszeit, und es entsteht eine neue Form der Interaktion, deren Protagonisten die Verkäuferin, die Bürgersfrau und ihre Gesellschaftsdame sind. Die Begeisterung für die Kollektion der kommenden Jahreszeit schafft es, vorübergehend sogar die Grenzen zwischen den Klassen aufzuheben. Dieser Aspekt der Warenhauskultur ruft übrigens Leitartikler und Soziologen auf den Plan, die befürchten, der Kaufakt könne zur neuen Religion werden. Tatsächlich erobert das Konzept des Warenhauses noch im 19. Jahrhundert die ganze Welt und entwickelt sich in England, Amerika und Australien besonders rasch. Die Warenhausunternehmer handeln fortschrittlich und erfindungsreich, auch ihren Angestellten gegenüber. So verschaffen sie ihren Angestellten besondere Vorteile einschließlich der Möglichkeit zur Fortbildung. Das Kaufhaus wird nicht nur zu einem mächtigen Wirtschaftsfaktor, sondern es trägt auch zur Demokratisierung und Befreiung des Individuums bei. Die nach dem Pariser Vorbild - Le Bon Marché, Printemps, La Samaritaine - errichteten Warenhäuser sind regelrechte "Traumfabriken", in denen der simple Kaufakt jedem erlaubt, seine Identität, die Klassenzugehörigkeit und auch sein eigenes Geschick zu ändern.
(arte)
Die Dokumentation behandelt in wunderbaren Bildern ebenso lehrreich wie unterhaltsam die Entstehung des Kaufhauses. Historiker und Psychologen kommen zu Wort, und Reenactments setzen die Akteure epochengerecht in Szene. Dazu dokumentiert Archivmaterial - unter anderem Gemälde, Briefe und Werbung aus jener Zeit - die Anfänge des Kaufhauses. Entstanden ist eine originelle Geschichte des sozialen Phänomens "Shopping", das das Leben der Frauen ebenso revolutionierte wie die Wirtschafts- und Sozialstruktur.
(3sat)
Weitere Titel:
Birth of Shopping - Wünsche werden wahr
Wünsche werden wahr
Birth of Shopping - Wünsche werden wahr
Wünsche werden wahr
Länge: ca. 84 min.
Deutsche TV-Premiere: 29.10.2011 (arte)
Cast & Crew
- Regie: Sally Aitken, Christine Le Goff