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Machtlos, gefangen, wie gelähmt - in Schockmomenten oder lebensbedrohlichen Situationen erleben Menschen oft ein Gefühl völliger Hilflosigkeit und Ohnmacht. Immer wieder zeigt das Leben, wie wenig man plötzlich selbst ausrichten kann - eine prägende Erfahrung, die ein Leben lang Spuren hinterlassen kann. Eine Vergewaltigung, eine Naturkatastrophe oder eine Geiselnahme - es sind Ausnahmesituationen, in denen Betroffene die Kontrolle über ihr Leben verlieren und das Gefühl haben, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. So ergeht es der Patientin, die gerade von ihrer Krebsdiagnose erfährt. Ab sofort entscheidet nicht mehr sie, sondern das Krankenhauspersonal über ihre Zukunft und über ihr Schicksal - sie selbst kann nur wenig Einfluss nehmen. Ähnlich ergeht es einem Stalking-Opfer, das auf Schritt und Tritt verfolgt wird und sich nicht mehr aus dem Haus traut. Oft wählen die Betroffenen in ihrer Verzweiflung den sozialen Rückzug, doch damit beginnt ein Leben wie im Gefängnis. Auch das Kind, das zuhause ständig Erniedrigungen ausgesetzt ist, oder die Person, die im Job systematisch von den Kolleg*innen schikaniert wird, fühlt sich ausgeliefert. Eine Genugtuung wiederum für die Täterin oder den Täter, das Gefühl der Macht über andere auszukosten. Wie gelingt es, wieder die Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen? "Ausgeliefert" ist das Thema im "Nachtcafé" am 11.9.2020 bei Michael Steinbrecher. Tausende Telefonanrufe, Beleidigungen, Drohungen - seit mehr als 30 Jahren wird Uwe Kisker von einem Stalker terrorisiert. In der Hochphase des Psychoterrors erhielt der Dortmunder Lokalmoderator bis zu 500 Anrufe - täglich! Doch weder Fangschaltungen, Geheimnummern noch Bewährungsstrafen konnten den Täter abhalten: "Wenn ich nicht so eine starke Familie und Freunde hätte, wüsste ich nicht, wie ich diese Jahre überlebt hätte." Diana Volkmann war gerade mal fünf Jahre alt, als ihr Martyrium begann. Fast ihre gesamte Kindheit und Jugend über wurde sie von ihrem Nachbarn massiv sexuell missbraucht - und das beinahe täglich. Neben körperlichen Verletzungen durchlitt das Mädchen psychische Qualen. Hilfe fand sie weder bei den Eltern noch bei der Großmutter: "Als ich erzählt habe, dass er mir wehtut, hat sie gesagt, dass sie das nicht glaubt und dass mir das auch niemand anderes glauben wird." Jungunternehmer Sebastian Waters war 33, als bei ihm vor zwei Jahren Krebs im Endstadium festgestellt wurde. Die Diagnose traf den zweifachen Vater in der Rushhour seines Lebens - statt Geschäftsterminen und Familienalltag bestimmten plötzlich nur noch die Krankheit, schmerzhafte Therapien und der Kampf ums Überleben: "Ab diesem Moment war ich ausgeliefert und musste mich im Krankenhaus komplett auf andere verlassen." Wo ist Bianca? Mit dieser Frage quält sich Erika Schneider seit 20 Jahren. Die schreckliche Ungewissheit über das Verschwinden ihrer damals 19-jährigen Tochter ist seitdem ihr ständiger Begleiter. Ununterbrochen kreisen in ihren Gedanken die wildesten Spekulationen, was an jenem Tag im August wohl geschah: "Das Schlimmste ist, nicht zu wissen, ob mein Kind noch lebt. Ich brauche die Gewissheit, um abschließen zu können." Die Gesprächstherapeutin Sybille Jatzko weiß, wie schwer es Menschen haben, die in scheinbar aussichtslosen Situationen stecken und mit dem Rücken zur Wand stehen. Die Trauma-Expertin hilft seit vielen Jahren Betroffenen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzubekommen. "Es ist oft ein langer Prozess, bis der betroffene Mensch wieder Regie über sein Leben erlangt."
(SWR)
Länge: ca. 90 min.