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Sprache scheint auf Kommunikation ausgerichtet zu sein, während es sich beim Gesang in erster Linie um reinen Ausdruck handelt. Wer singt, bedient sich einer Ursprache, die älter ist als das gesprochene Wort. Im Chaos des Alltags bietet der Gesang dem Menschen die Möglichkeit, sich einige Minuten lang auf seine nie ganz verstummende innere Melodie zu besinnen. Ist Singen ein Schutz gegen Desillusionierung und Verbitterung? Und warum sind schiefe Töne so schwer zu ertragen? Anknüpfend an den französischen Philosophen Clément Rosset und dessen "Regime der Leidenschaften und andere Texte" (2002), ergründen Raphaël Enthoven und sein Gast Vincent Delecroix, inwiefern das Singen eine menschliche Erfüllung und ein Mittel gegen den Schmerz darstellt. Sie zitieren den französischen Philosophen und Musikwissenschaftler Vladimir Jankélévitch, nach dem jemand, der mit sich selbst spricht, als Irrer wahrgenommen wird, wohingegen jemand, der für sich allein singt, als lebensfroher Mensch gilt. Der Gesang wird als reiner Ausdruck empfunden, Sprache immer als Kommunikation. Enthoven und Delecroix sprechen über den Gesang der Sirenen der Odyssee und Adornos und Horkheimers Interpretation dieses Mythos. Für einen ganz anderen Gesang hingegen steht Bianca Castafiore aus den "Tim und Struppi"-Comics. Sie verkörpert den Anti-Mythos des Falschsingens im Gegensatz zum erhabenen und verführerischen Gesang. Ein weiteres Thema des Gesprächs ist die lebendige Kraft des Gesangs, der seine Stärke auch daraus bezieht, dass er gleichzeitig Ausdruck unserer Sterblichkeit ist.
(arte)
Länge: ca. 30 min.