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Bis heute ist der Name Schreber ein Synonym für den Kleingarten am Rande der Stadt. Seit über einem Jahrhundert gehört der 'Schrebergarten' ebenso zum Alltagsvokabular wie der Diesel- oder der Ottomotor. Doch während Rudolf Diesel und August Otto tatsächlich jene Maschinen erfunden haben, besitzt der Leipziger Arzt Daniel Gottlob Schreber an der Kleingartenidylle, die seinen Namen trägt, kaum einen Anteil. Schreber erntete postum den Ruhm für eine Massenbewegung, die er bestenfalls inspirierte. Sein eigentliches Streben galt nicht wohlgeformten Radieschen und leuchtenden Kletterrosen. Was er wollte, war weit mehr als das unkrautfreie Gemüsebeet, der auf Linie getrimmte Rasen: Schreber wollte den 'neuen Menschen', an Körper und Geist gesund, tugendhaft, sauber und strebsam. Der Aufklärung verpflichtet und vom Fortschrittsglauben beseelt, glaubte Schreber an die absolute Formbarkeit des Menschen durch Erziehung. Doch leider ist der selbsternannte Volksaufklärer mit seinem Projekt 'Idealmensch' bereits in der eigenen Familie kläglich gescheitert. Sein ältester Sohn Gustav schießt sich in einem Anflug von Melancholie eine Kugel in den Kopf, dessen jüngerer Bruder Paul fällt dem Wahnsinn anheim. Doch ist das traurige Ende der Schreber-Söhne tatsächlich das Resultat der rigiden väterlichen Erziehung? Trieben Paul und Gustav die orthopädischen Apparate, die Schreber entwickelte und an den eigenen Kindern ausprobierte, wirklich in den Wahn? Oder steht Daniel Gottlob Schreber nicht vielleicht doch zu unrecht als unbarmherziger Kinderschreck am Pranger? Der Film geht diesen Fragen nach, beleuchtet Leben und Streben des Arztes und Privatmannes Schreber, folgt seinen Spuren an authentische Orte und Lebensstationen und verbindet diese mit historischen Dokumenten, Spielszenen und Originaltönen von Befürwortern und Kritikern, Pädagogen, Medizinern und Psychologen zu einem lebendigen und anschaulichen Lebensbericht des umstrittenen Leipzigers.
(Tagesschau24)
Länge: ca. 45 min.