Gräfenhausen bei Pforzheim, am Morgen des 29. April 1997: Harry Wörz wird beim Verlassen seiner Wohnung von einem großen Polizeiaufgebot erwartet und sofort festgenommen. Er soll die Polizistin Silke, mit der er noch verheiratet ist, aber nicht mehr zusammenlebt, in der Nacht zuvor aufgesucht und so fest mit einem Schal gewürgt haben, dass sie schwere Verletzungen davontrug. Harry Wörz weiß nicht, wie ihm geschieht. Zwar beteuert er in den Vernehmungen seine Unschuld. Aber für die Polizei, darunter viele Kollegen Silkes, steht er als Täter praktisch fest. Alle Spuren, die am Tatort sichergestellt wurden, lassen sich in diese Richtung interpretieren. Silke wird nie sagen können, wer sie angriff: Sie ist durch die Strangulation bleibend geschädigt. Harry Wörz wird angeklagt, denn die Staatsanwaltschaft schließt sich der Einschätzung der Polizei an. Dass er auf seiner Unschuld beharrt und die Aussagekraft der Indizien bezweifelt, hat keinerlei Folgen. In einem kurzen Strafprozess wird er wegen versuchten Totschlags zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Revision gegen das Urteil wird abgewiesen, Harry Wörz bleibt in Haft. Als ein Jahr später seine ehemaligen Schwiegereltern eine Zivilklage anstrengen, um Schmerzensgeld von ihm zu erstreiten, will er sich schon gar nicht mehr wehren. Doch seine Eltern und der Kreis seiner Freunde, die überzeugt davon sind, dass er zu Unrecht im Gefängnis sitzt, machen Harry Wörz Mut für den erneuten Prozess. Vertreten soll ihn darin ein junger Anwalt: Dr. Hubert Gorka, der seinen neuen Mandanten davon überzeugen kann, dass der Zivilprozess auch eine Chance sein könne. Denn die Richter würden den Fall und die Indizienlage ganz eigenständig beurteilen. Wörz fasst neue Zuversicht. Zu Recht. Denn tatsächlich gelingt es Hubert Gorka in dem Zivilprozess, die Schwachstellen in der Ermittlungsarbeit der Polizei herauszuarbeiten. Der Richter hakt nach, bewertet die Indizien und kommt zu dem Schluss, dass Zweifel an der Täterschaft von Harry Wörz bestehen. Damit ist die Klage abgewiesen. Das ist ein Durchbruch. Harry Wörz gewinnt neuen Mut und Hubert Gorka - entschlossen, das Beste für seinen Mandanten zu erstreiten - will die Ergebnisse des Prozesses nutzen, um ein Wiederaufnahmeverfahren für den Strafprozess anzustrengen. Er ist überzeugt davon, dass die Justiz im Fall Harry Wörz ihre Macht missbraucht hat. Was sich anschließt, ist ein Marathon aus Anträgen, Abweisungen und verschleppten Prozessterminen, der Harry Wörz zunehmend zermürbt. Es dauert viereinhalb Jahre, bis es ein tragfähiges positives Zeichen gibt: Die Haftstrafe wird ausgesetzt. Von einem auf den anderen Moment kommt Harry Wörz vorübergehend frei, weil das Gericht einen Erfolg des Wiederaufnahmeverfahrens für wahrscheinlich hält. Er muss ganz neu anfangen, hat kein Zuhause, keine Arbeit, keinen Besitz mehr und das Verhältnis zu seinem Sohn ist schwierig, weil der von den Großeltern gelernt hat, dass sein Vater am Unglück der Mutter schuld ist. Glücklicherweise gibt es viele Menschen, die zu ihm halten, die von ihm und seinem redlichen und offenen Charakter überzeugt sind. Und er lernt an seinem ersten Silvesterabend in Freiheit Anke kennen. Die beiden verlieben sich und ihre Beziehung hält auch der Belastung der zermürbenden Wartezeit stand. Inzwischen kennt sich Harry Wörz in seinen Prozessakten mindestens genauso gut aus wie sein Anwalt. Er hat sie abgeschrieben, bis in kleinste Verästelungen untersucht. Die Akten bilden inzwischen ein Rückgrat in seinem Leben. Sie sind auch dabei, als endlich das Wiederaufnahmeverfahren anläuft, das Hubert Gorka erstritten hat. Es endet mit einem Freispruch. Doch obwohl immer deutlicher wird, dass Beweisstücke verschwunden sind, Akten verwechselt wurden und eine Vielzahl von Ermittlungsfehlern passiert sind, lässt das Gericht erkennen, dass es Harry Wörz trotzdem für den Schuldigen hält. In der Revision wird das Urteil wieder aufgehoben. Nun ist es Hubert Gorka, der drauf und dran ist, zu resignieren. Vielleicht wäre Harry Wörz mit einem anderen Anwalt besser gedient? Wörz dagegen hat neue Kraft geschöpft. Er will weitermachen und zwar mit Hubert Gorka. Erst vier Jahre später wird Harry Wörz freigesprochen. Diesmal stellt das Gericht unmissverständlich fest, dass er unschuldig ist und nie hätte verurteilt werden dürfen. Dieses Urteil wird auch in der Revision bestätigt. Harry Wörz ist endgültig frei. An den Folgen von 13 Jahren in den Mühlen der Justiz aber wird er noch lange zu tragen haben. Im Anschluss an den Fernsehfilm findet in der Sendung "Anne Will" eine Gesprächsrunde zum Thema statt.
(ARD)
Weiterer Titel: Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz
Länge: ca. 90 min.
Deutscher Kinostart: 29.01.2014
Deutsche TV-Premiere: 29.01.2014 (Das Erste)
Cast & Crew
- Regie: Till Endemann
- Drehbuch: Holger Joos, Till Endemann
- Produktion: Sascha Schwingel, Claudia Grässel, Manfred Hattendorf, Holger Krenz, Michael Schmidl, Stephan Gehrke-Losinski, Frank Luebke
- Produktionsfirma: SWR, UFA Fiction
- Musik: Enis Rotthoff
- Kamera: Lars R. Liebold
- Schnitt: Florian Drechsler
- Ton: Peter Deininger, Johannes Grehl